E-Wirtschaft warnt vor Blackouts

Die österreichische Energiewirtschaft sieht eine steigende Gefahr von Stromausfällen. Derzeit liegt Österreich mit im Schnitt rund 30 Minuten an ungeplanten Blackouts pro Jahr noch an dritter Stelle in Europa. Das könnte sich aber bald ändern.

Durch den steigenden Stromverbrauch und die Energiewende würden die Stromnetze in Spitzenzeiten an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, warnte der Präsident des Branchenverbandes Oesterreichs Energie, EVN-Chef Peter Layr, am Donnerstagabend bei einer Veranstaltung in Wien. Das habe sich zuletzt im Winter 2011/12 gezeigt.

Jährlich 10.000 Ausfälle

Pro Jahr gibt es in Österreich 10.000 kleine und mittlere Stromausfälle. Im vergangenen Jahr musste der Übertragungsnetzbetreiber APG 2.500-mal stabilisierend ins Netz eingreifen. 2009 war das nur 1.900-mal notwendig. Laut APG hat es heuer durch hohes Windaufkommen in Deutschland und hierzulande bereits „einige Beispiele kritischer Netzsituationen“ gegeben.

„Der Missing Link ist der Netzausbau“, betonte APG-Betriebsdirektor Wolfgang Haimbl. Auch für ihn steigt die Wahrscheinlichkeit von Stromausfällen in Österreich. Die Maßnahmen zur Netzsicherheit würden immer aufwendiger und kostspieliger.

„Mehr Mut“ bei Leitungsausbau

Für Layr gibt es in Österreich wegen der niedrigen Strompreise zu wenig Anreize, in die Infrastruktur zu investieren. Außerdem werde die geplante Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) die langwierigen Verfahren für den Bau von Stromleitungen noch um ein „paar Jahre“ verlängern.

Ebenfalls als „falschen Weg“ bezeichnete Energie-Control-Vorstand Walter Boltz die UVP-Novelle. Es müsse eine Beschleunigung geben, aber keine Entrechtung der Bürger stattfinden. Er forderte die Politik auf, sich mehr für den Stromleitungsausbau einzusetzen. Die Errichtung eines Windrades dauere maximal ein Jahr, die zusätzlichen notwendigen Stromleitungen hingegen sechs bis acht Jahre. In Österreich könne es sogar zehn bis 20 Jahre dauern.

Genehmigungsverfahren seien aber nur ein Teil des Problems, so Boltz. Die Politik müsse insgesamt „mehr Mut“ zeigen und den Bürgern erklären, dass Investitionen in die Strominfrastruktur für die Energiewende notwendig seien. Erwartungsgemäß sieht Energieregulator Boltz keine zu niedrigen Strompreise in Österreich: „Klagen ist die normale Reaktion des Kaufmanns.“

Blackouts sehr kostspielig

Der Leiter der Risikoabteilung der Allianz-Versicherung, Michael Bruch, verwies auf die enormen volkswirtschaftlichen Kosten von Stromausfällen. „Strom ist das Rückgrat einer Wirtschaft.“ Das viertägige Blackout in Teilen der USA und Kanada im Sommer 2004 hat schätzungsweise wirtschaftliche Verluste in der Höhe von sechs Mrd. US-Dollar (4,7 Mrd. Euro) verursacht. Ein totaler Stromausfall in Deutschland würde pro Stunde 0,6 bis 1,3 Mrd. Euro kosten, schätzt Bruch.

Am teuersten wäre ein Stromausfall für die Finanz-, Telekom- und Halbleiterindustrie. Den letzten großen Blackout in Europa gab es 2003, als das ganze Stromnetz in Italien für 18 Stunden zusammenbrach. Technische und menschliche Fehler sowie mangelhafte Instandhaltung seien die Hauptursachen von Blackouts. Sonnenstürme und Terroranschläge sowie Cyberattacken würden aber immer mehr in den Fokus der Energieversorgungssicherheit rücken.

Ruf nach „Energieunion“ in Europa

Der Allianz-Risikoexperte sieht vor allem vier Gründe für die steigende Gefahr von ungeplanten Stromausfällen. Der wachsende Anteil an schwankender Einspeisung von erneuerbaren Energien, beispielsweise von mit Photovoltaikanlagen erzeugter „Sonnenenergie“, destabilisiere das Netz. Das Stromnetz in Europa sei immer mehr zusammengewachsen und dadurch auch verletzbarer geworden.

Weiters gebe es unzureichende gesetzliche Rahmenbedingungen zum schnellen Ausbau von Stromleitungen, so Bruch. Es würden auch Anreize für die Energiekonzerne fehlen, in die Strominfrastruktur zu investieren.

Europa müsse auch im Bereich der Energie - ähnlich wie bei der Fiskalpolitik - näher zusammenrücken, sagte der Allianz-Risikoexperte zur APA. Es habe keinen Sinn, wenn jedes EU-Land seinen Energiemix selbst bestimme und Deutschland beispielsweise am meisten „Sonnenstrom“ produziere. Eine Art „Energieunion“ mit einer gemeinsamen europäischen Koordinierung sei notwendig.

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