VfGH kippt Bettelverbot teilweise

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat entschieden, dass ein Verbot von aggressivem Betteln nicht verfassungswidrig ist. Aufgehoben wurde damit das Verbot in Salzburg, nicht jedoch in Oberösterreich und Kärnten.

Regelungen zur Bettelei stehen kompetenzrechtlich im Rahmen der örtlichen Sicherheitspolizei den Bundesländern zu. Insgesamt sind beim VfGH fünf Fälle dazu anhängig, in drei wurde in der Sommersession eine Entscheidung getroffen.

Verbot für stilles Betteln nicht notwendig

„Stilles“ Betteln, etwa mit einem Hut, zu untersagen und mit einer Verwaltungsstrafe zu belegen, ist verfassungswidrig, da es unsachlich ist und dem Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Freiheit der Meinungsäußerung) widerspricht, teilte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Mittwoch.

„Stilles Betteln an öffentlichen Orten ausnahmslos zu verbieten, ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig“, so Holzinger. Bettelverbote ohne Ausnahme sind demnach verfassungswidrig. In Ordnung gehen Verbote, die bloß bestimmte Erscheinungsformen des Bettelns wie etwa aggressives Betteln, Betteln mit Kindern oder gewerbsmäßiges Betteln unter Strafe stellen.

VfGH-Urteil im Wortlaut

Wörtlich hielt der VfGH zu den aktuellen Entscheidungen fest: „Öffentlichen Orten (...) ist die Begegnung mit anderen Menschen immanent. Eine Störung der öffentlichen Ordnung kann (...) von der bloßen Anwesenheit einzelner Menschen an öffentlichen Orten, die um finanzielle Unterstützung werben, ohne qualifizierte, etwa aufdringliche oder aggressive Verhaltensweisen an den Tag zu legen, nicht ausgehen.“

Dass das als belästigend, störend oder gar schockierend empfunden werden kann, ändere nichts am grundsätzlichen Schutz derartiger kommunikativer Verhaltensweisen durch Artikel zehn der Europäischen Menschenrechtskommission.

Verbot in Salzburg verfassungswidrig

Das Bettelverbot in Oberösterreich ist demnach nicht verfassungswidrig. Es enthält - „und nur so sind die sprachlich durchaus missglückten Formulierungen im Gesetz zu verstehen“, so der VfGH - kein absolutes, auch das „stille Betteln“ umfassendes Bettelverbot - mehr dazu in Klage gegen Bettelverbot abgewiesen (ooe.ORF.at). Ebenso birgt die Regelung in Kärnten kein absolutes Bettelverbot - mehr dazu in VfGH: Bettelverbot ist rechtens (kaernten.ORF.at).

Die Bestimmung in Salzburg hingegen wird als verfassungswidrig aufgehoben, denn sie verbietet auch das nicht aggressive, „stille“ Betteln. Eine Reparaturfrist wurde laut Unterlage nicht gegeben. Die Aufhebung gilt ab Kundmachung im Landesgesetzblatt, und diese habe „unverzüglich“ zu erfolgen - mehr dazu in Höchstgericht kippt Bettelverbot (salzburg.ORF.at).

Zu den Fällen in Wien und der Steiermark wurden Entscheidungen für September angekündigt. Zu diesen beiden sei man in der letzten Session schlicht noch nicht gekommen, so Holzinger.

Freude bei Armenpfarrer Pucher

Erfreut reagierte die Vinzenzgemeinschaft rund um den Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher auf die VfGH-Entscheidung. „Wir hoffen sehr, dass auch das allgemeine Bettelverbot der Steiermark und im Anschluss daran weitere Verbote österreichweit aufgehoben werden“, sagte er - mehr dazu in Pucher begrüßt Bettelverbot-Aufhebung (steiermark.ORF.at).

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