Rettungsgasse: Beim richtigen Zeitpunkt hapert es

Gut zwei Jahre nach Einführung der Rettungsgasse sind die Einsatzorganisationen zufrieden. In der Mehrheit der Fälle klappt die Rettungsgasse für die Unfallhelfer gut oder sogar sehr gut. Beim richtigen Zeitpunkt hapert es aber.

Das ergab eine Evaluierung durch das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), deren Ergebnis am Dienstag bei einer Pressekonferenz der ASFINAG in Wien präsentiert wurde. Was noch nicht ganz funktioniert: der Zeitpunkt, zu dem die Rettungsgasse gebildet werden muss.

„Noch nicht in allen Köpfen“

Der richtige Zeitpunkt zur Bildung einer Rettungsgasse ist nicht erst dann, wenn sich die Einsatzfahrzeuge schon nähern, wie es in knapp der Hälfte der Fälle geschieht, sondern wenn der Verkehr zu Stocken beginnt. Das sei „noch nicht in allen Köpfen“, sagte KfV-Geschäftsführer Othmar Thann.

Ob eine Gasse freigemacht wird, hängt anscheinend vom Verhalten weniger ab: Wenn nur ein bis zwei Autofahrer an den rechten und linken Rand fahren, machen es die Folgenden nach. Eine weitere Beobachtung: Manche Autofahrer meinen, dass die Rettungsgasse geschlossen werden darf, sobald die ersten Einsatzwagen einmal durchgefahren sind. Dem ist nicht so: Es kommen nämlich weitere nach.

Einsatzorganisationen zufrieden

Von 164 Teams vom Roten Kreuz (RK) und Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), die österreichweit nach einem Einsatz zu ihren Erfahrungen befragt wurden, waren 24 Prozent sehr zufrieden und 38 zufrieden mit dem Verhalten der Autofahrer in Sachen Rettungsgasse. Bei den ebenfalls befragten Feuerwehren in Niederösterreich waren es 50 Prozent. Diese haben es wegen der größeren Fahrzeuge schwerer - vor allem, wenn Auffahrten verstellt seien, komme man schwer in die Rettungsgasse hinein, sagte Albert Kern, Präsident des Bundesfeuerwehr-Verbandes.

Besser auf zweispurigen Autobahnen

Grundsätzlich funktioniert die Bildung der Rettungsgasse auf zweispurigen Autobahnen besser als auf drei- und vierspurigen und im Freiland besser als auf stauanfälligen Stadtautobahnen. Für die Einsatzkräfte stellt das kein Extraproblem dar, denn die schwereren Unfälle geschehen auf zweispurigen Autobahnen, wie RK-Rettungskommandant Gerry Foitik erläuterte.

Grafik  Erklärung der Rettungsgasse für Einsatzfahrzeuge auf Autobahnen und Schnellstraßen

APA

Bildung der Rettungsgasse auf Autobahnen und Schnellstraßen

Von der seit 1. Jänner 2012 gesetzlich vorgeschriebenen Rettungsgasse bei Staus auf Autobahnen und Schnellstraßen profitieren die Helfer auch im innerstädtischen Verkehr: Laut Foitik werden die Einsatzfahrzeuge zum Beispiel auf dem Gürtel und der Schüttelstraße in Wien schneller durchgelassen. Diese Erfahrung bestätigte auch der ASB. „Wir kommen auch im innerstädtischen Verkehr besser voran“, sagte dessen Schulungsleiter, Jürgen Grassl, der grundsätzlich eine positives Resümee zog: „Die Rettungsgasse funktioniert überwiegend gut. Die Beeinträchtigungen halten sich sehr in Grenzen.“

Ob die Rettungsgasse letztlich funktioniere oder nicht, sei oft Zufall, bilanzieren die Wiener Rettungskräfte. Werden Einsatzfahrzeuge von Autofahrern behindert, straft die Polizei. Gut über 100 Anzeigen habe es deshalb im vergangenen Jahr gegeben, schätzt Josef Binder von der Wiener Verkehrspolizei - mehr dazu in Funktionieren „oft Zufall“ (wien.ORF.at).

Zeitersparnis nicht messbar

„Zwei Drittel der Einsatzfahrten funktionieren gut, besser als vorher“, so Foitik weiter. Wie groß die durchschnittliche Zeitersparnis konkret ist, können die Fachleute nicht sagen - mangels Vergleichszahlen aus der Zeit „vorher“. Vor der Einführung war auf der Basis von Erfahrungen aus Deutschland auf bis zu vier Minuten weniger Anfahrtszeit zu Unfallstellen hingewiesen worden.

Psychologe: Rettungsgasse muss scheitern

Das Projekt Rettungsgasse scheitere am vielen „Eigenheiten der menschlichen Psyche“, analysiert der Verkehrspsychologe Gregor Bartl im Ö1-Gespräch. Aus psychologischer Sicht sei das zur Bildung der Rettungsgasse nötige Verhalten unnatürlich: „Ich soll Platz machen auf einem konkurrenzumkämpften Verkehrsfeld, soll riskieren, dass mein Auto beschädigt wird in diesem Gedränge - und da spielen Faktoren wie Angst und Unsicherheit eine Rolle.“

Dazu komme noch, dass das Gesetz schwammig formuliert sei und trotzdem strenge Strafen vorsehe, so Bartl - mehr dazu in Unnatürliches Verhalten (oe1.ORF.at). Die ASFINAG, die nach Angaben von Vorstand Alois Schedl etwas weniger als vier Millionen Euro für Informationskampagnen ausgegeben hat, will weiter informieren, unter anderem durch weitere Brückentransparente.

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