Fast jeder fünfte Lehrling fiel durch

Angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa wird die Lehrlingsausbildung in Österreich immer wieder als Vorzeigemodell für andere Länder genannt. Doch von den 58.034 Lehrlingen, die 2012 zur Abschlussprüfung antraten, fielen 10.399 durch.

Damit haben österreichweit 18 von 100 Lehrlingen die Prüfung nicht bestanden – das ist fast jeder Fünfte und ein neuer Höchststand seit 1970. In den letzten Jahrzehnten stieg die Zahl der Erfolglosen konstant. 2012 lag die Erfolgsquote nur noch bei 82,1 Prozent. Im Jahr davor, 2011, war sie bei 82,5 Prozent gelegen.

Durchfallsrate von mehr als 30 Prozent

Problematisch dabei: Von den über zehntausend Lehrlingen, die jährlich durchfallen, traten 2012 nur 4.386 zur Wiederholungsprüfung an. Damit warfen im Vorjahr rund sechstausend Lehrlinge das Handtuch und stehen letztlich ohne abgeschlossene Berufsausbildung da. Dazu kommen jene, die schon vor dem ersten Prüfungsantritt aufgaben. Insgesamt gab es bei 22 Lehrberufen eine Durchfallsrate von mehr als 30 Prozent, wie aus der Lehrabschlussprüfungsstatistik für 2012 hervorgeht.

Mehrere Branchen mit Problemen

Bei den kleineren Gewerbe- und Handwerksbetrieben, in denen ein Drittel der Lehrlinge ausgebildet wird, fielen 22 von 100 Prüflingen durch. Auch die Tourismusbranche zählt zu den Sorgenkindern. Bei der überbetrieblichen Lehrlingsausbildung schafften 27 von 100 die Abschlussprüfung nicht. Dagegen sticht die Erfolgsquote von Lehrlingen bei Banken und Versicherungen Jahr für Jahr positiv hervor. Im Schnitt schafften hier im Vorjahr 95,4 Prozent die Prüfung auf Anhieb. Bei der Lehre zu Bankkauffrau oder Bankkaufmann bestand nur jeder 30. nicht.

Auch die Industrie liegt mit 87,7 Prozent erfolgreichen Lehrlingen über dem Gesamtschnitt. Beim Lehrberuf Maler und Anstreicher fielen 2012 von 1.007 angetretenen Lehrlingen 383 durch, mehr als jeder Dritte. Mit dieser Durchfallsquote von 38 Prozent zählt die Maler-und-Anstreicher-Lehre zu den Problemfällen.

Auch bei den technisch anspruchsvollen Lehren wie Elektroinstallationstechnik (32 Prozent), Kraftfahrzeugtechnik und Metalltechnik (je 25 Prozent) liegen die Durchfallsraten deutlich über dem Schnitt. Bei den Köchen fiel jeder Vierte durch, bei den Friseuren jeder Fünfte. Die Jugendlichen, die eine Einzelhandelslehre absolvierten, schnitten hingegen gut ab: Nur jeder Achte schaffte die Prüfung nicht.

WKÖ dennoch zufrieden

Der in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) für Bildungspolitik zuständige Referent Alfred Freundlinger sieht die Erfolgsquote im Vergleich zu anderen Ausbildungen, etwa einem Studium, dennoch auf gutem Niveau. Angesichts der demografischen Entwicklung gelte es aber, die Quote zu verbessern, um die Wirtschaft mit genügend Fachkräften zu versorgen.

Dass in Handwerks- und Gewerbebetrieben mehr Lehrlinge durchfallen, hänge auch damit zusammen, dass diese schwerer an gute Bewerber kommen würden, so Freundlinger im Gespräch mit der APA. Außerdem gilt für ihn die gute Qualität von großen Unternehmen mit eigenen Lehrwerkstätten als unbestritten.

AK fordert Ursachenforschung

Die Lehrlingsexpertin der Arbeiterkammer, Edith Kugi-Mazza, plädierte hingegen dafür, sich jeden Lehrberuf einzeln anzusehen, um mehr über die Gründe, warum Lehrlinge ihre Abschlussprüfung nicht schaffen, herauszufinden. Sie forderte auch eine Qualitätssicherung während der Ausbildungszeit, denn viele würden sich erst gar nicht für die Prüfung bei der Wirtschaftskammer anmelden. Kugi-Mazza vermutet, dass da auch Prüfungsängste eine Rolle spielen könnten. Ziel müsse es jedenfalls sein, die „Drop-out-Rate" zu senken, so die AK-Expertin.

30.000 Fachkräfte fehlen

Der österreichischen Wirtschaft fehlen Schätzungen zufolge an die 30.000 Fachkräfte. Die Lehre konkurriert seit einigen Jahren immer stärker mit höher bildenden Schulen. Den Betrieben fällt es oft schwer, den notwendigen Fachkräftenachwuchs zu finden. Die Sozialpartner – Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer – einigten sich Ende Februar in einem Positionspapier zur Schulbildung darauf, sich die Probleme der Lehrlingsausbildung gemeinsam ansehen zu wollen und die Lehre wieder attraktiver zu machen. Erste Ergebnisse und Maßnahmen werden für den Sommer erwartet.

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