Blockierte Kurz Behindertenparkplätze?

Hat Integrationsstaatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) sein Auto vor zwei Behindertenparkplätzen geparkt und diese damit blockiert? Das Handyfoto eines ORF.at-Lesers, dessen Aussagen und Facebook legen das jedenfalls nahe. Das Staatssekretariat wollte dem Vorwurf trotz mehrmaliger Nachfrage von ORF.at zunächst nicht nachgehen.

Vielmehr stellte man sich dort auf den Standpunkt, das Foto beweise nichts. Es sei nicht klar, ob das Auto parke oder fahre. Es gebe so viele unrichtige Vorwürfe gegen Kurz, dass man nicht ohne schlagkräftigen Beweis - konkret: ein Foto, das Kurz oder seinen Chauffeur beim Ein- oder Aussteigen zeigt - solchen Anfragen nachgehen wolle.

Kurz: „Habe Fahrer sensibilisiert“

In einer Stellungnahme gegenüber ORF.at schloss Kurz am Dienstagvormittag aber dezidiert aus, das Auto persönlich gelenkt zu haben. Kurz wörtlich: „Ich habe noch nie einen Wagen des BMI (Innenministerium, Anm.) selbst gelenkt.“ Er könne aufgrund des Fotos nicht beurteilen, "ob diese Auto geparkt hat, gerollt oder gefahren ist. Aber ich habe nun alle Fahrer dafür sensibilisiert, dass ein Halten auch nur in der Nähe eines Behindertenparkplatzes ein absolutes No-go ist. Und falls der Fahrer, mit dem ich dort unterwegs war, dort wirklich kurz gehalten hat, dann würde es mir selbstverständlich aufrichtig leidtun.“

Fahrzeug auf Parkplatz

ORF

Das Kennzeichen - hier verpixelt - ist gut erkennbar, ebenso, dass der Audi die beiden Behindertenparkplätze - siehe Bodenmarkierung und Halte- und Parkverbot mit Zusatzschild - blockiert

Von Osborne zu Kurz

Ein Bericht in news.ORF.at über den britischen Finanzminister George Osborne, der unter anderem wegen Parkens auf einem Behindertenparkplatz medial in die Defensive geriet, hat einen oberösterreichischen Geschäftsmann an die Begebenheit erinnert.

Zeuge: Kurz fuhr selbst mit Auto

Das Foto wurde laut dem User am 12. Juni 2012 um 18.18 Uhr vor der Raststätte Landzeit auf der Autobahnstation Voralpenkreuz der A1 bei Sattledt in Oberösterreich aufgenommen. Der User hatte nach eigenen Angaben eine Besprechung mit einem Geschäftspartner. Auf dem Weg zum Ausgang sei ihm Kurz mit einem Begleiter beim Buffet aufgefallen. Vor der Raststätte dann „der erfrischende Anblick“, wie der User mit hörbarem Sarkasmus anmerkt: Die einzigen beiden Behindertenparkplätze seien von einem Auto „kunstvoll“ blockiert gewesen. Es habe sich auch kein Fahrer darin befunden.

Mit seinem Geschäftspartner habe er sich dann einige Minuten - insbesondere über das StVO-widrig abgestellte Auto - unterhalten. Die Einbahnregelung des Parkplatzes habe ihn, als er die Raststation verlassen wollte, erneut an dem Auto vorbeigeführt. Er habe angehalten und ein Foto mit dem Handy gemacht - sein erstes Handyfoto, wie der User einräumt. Dann habe er noch versucht, ein Video zu machen, habe es aber nicht geschafft. In der Zwischenzeit sei Kurz mit seinem Begleiter zum Auto gekommen und weggefahren - Kurz lenkte das Auto demnach selbst. Unklar ist allerdings, ob Kurz selbst das Auto zuvor auch vor den Parkplätzen abgestellt hatte. Unklar ist auch, ob es sich um ein Dienstauto des Innenministeriums oder ein Privatauto handelt.

Zweiter Zeuge

Im Telefonat mit ORF.at bestätigte der Geschäftspartner des Users, dass er ebenfalls das fotografierte Auto gesehen habe - abgestellt vor den Behindertenparkplätzen. Kurz habe er beim gemeinsamen Hinausgehen nicht erkannt: „Ich kenne den Herrn nicht.“ Der User habe ihn allerdings mit einem „Jö, das ist ja der und der“, auf Kurz aufmerksam gemacht.

Kein Blick in Terminkalender

Der Vorschlag, das Staatssekretariat solle prüfen, ob das Auto mit dem auf dem Foto klar erkenntlichen Kennzeichen zum Fuhrpark des Ministeriums gehöre, war während der Recherchen zunächst ebenso zurückgewiesen wie worden wie die Bitte, in Kurz’ Terminkalender nachzusehen, ob er sich zu diesem Zeitpunkt überhaupt an dem betreffenden Ort aufgehalten habe bzw. aufhalten habe können. Auf den Hinweis, dass damit die Vorwürfe ja rasch widerlegt werden könnten, wollte man im Staatssekretariat sichtlich nicht eingehen. Es wurde wiederholt auf das große Aufgabenpensum hingewiesen, neben dem aus Sicht des Staatssekretariats für die Prüfung von Vorwürfen eines Fehlverhaltens keine Zeit sei.

Facebook-Eintrag von Kurz

Auch wenn das Staatssekretariat zum Terminplan von Kurz am fraglichen Tag nicht auskunftsbereit war - Kurz selbst gibt im Netz einen Hinweis darauf, dass er sich zum fraglichen Zeitpunkt in der Gegend aufgehalten haben könnte: Auf seiner Facebook-Seite findet sich ein Posting vom 12.6.2012, darin heißt es wörtlich: „Heute ordentliche Tour: Wien - Graz - Salzburg - Wien Nach dem Termin in Graz gehts jetzt weiter zum Redaktionsbesuch bei der SVZ und zur ersten Integrationskonferenz des Landes Salzburg mit Landesrätin Tina Widmann!“

Screenshot www.facebook.com

facebook.com

Nicht nur Kurz’ Posting, auch eine Aussendung des Staatssekretariats vom nächsten Tag bestätigt, dass sich Kurz am 12. Juni 2012 in Salzburg aufhielt

„Wird als Kavaliersdelikt gesehen“

Bei der Österreichischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (ÖAR), der Dachorganisation der Behindertenverbände, wurde ORF.at auf Nachfrage bestätigt, dass das widerrechtliche Blockieren von Behindertenparkplätzen „immer wieder ein Thema“ sei. Dieser Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung werde weithin „als Kavaliersdelikt gesehen“, stelle die Betroffenen aber vor echte Probleme. Vonseiten des ÖAR wurde hinzugefügt, dass entsprechende Verstöße vor allem in Einkaufszentren Probleme bereiteten. Dabei handle es sich um Privatgrund, und die Eigentümer seien als Betreiber häufig „nicht erpicht, Anzeige zu erstatten“.

Kritik kam von FPÖ und BZÖ. FPÖ-Behindertensprecher Norbert Hofer sagte, Amtsträger müssten mit gutem Beispiel vorangehen. Hofer sprach sich für eine freiwillige Vereinbarung aller Parteien aus, jeden Mandatar, Minister oder Staatssekretär zusätzlich zu den Verwaltungsstrafen zu einem eintägigen Sozialdienst in einer Einrichtung für behinderte Menschen zu verpflichten. BZÖ-Sprecher Rainer Widmann sagte, sollte der Vorwurf stimmen, sei das „sehr unverfroren“ und ein „absolutes No-go“. Das Team Stronach kündigte eine parlamentarische Anfrage an.

Unwiderstehlich günstig?

Behindertenparkplätze befinden sich, das ist ja Sinn der Sache, immer möglichst nahe beim Eingang zum jeweiligen Gebäude. Genau das „verleitet“ immer wieder zu Missbrauch. Vor dem Restaurant Landzeit gibt es genau zwei dieser Abstellplätze. Die Raststation Voralpenkreuz befindet sich an der Kreuzung von A1 und A8 und ist rund 90 Kilometer von Salzburg entfernt.

Politiker und ihr Parkverhalten

Immer wieder gerieten in der Vergangenheit Politiker, die Behindertenparkplätze verstellt oder sie für eigene Zwecke missbrauchten, in die Schlagzeilen. Der niederösterreichische Landtagsabgeordnete Josef Edlinger (ÖVP) stellte vor zwei Jahren sein Auto auf einem Behindertenparkplatz in einer Tiefgarage ab. Nachdem Edlinger zunächst meinte, er müsse die Markierung übersehen haben, musste er sich kurz nach Bekanntwerden des Vergehens entschuldigen. Wenige Tage danach wurde via „Kleine Zeitung“ auch der Bürgermeister von St. Veit, Gerhard Mock (SPÖ), als Falschparker geoutet: Ein Foto zeigte sein Auto, das gleich zwei Behindertenparkplätze blockierte.

Platter als Parksünder

Das Dienstauto des damaligen Innenministers und nunmehrigen Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter (ÖVP) war 2008 auf einem Behindertenparkplatz parkend fotografiert worden. Der damalige Innenminister besuchte den Wiener Polizeiball im Wiener Rathaus, berichtete damals Bizeps-Info, eine Nachrichtenplattform zum Thema Gleichstellung für Menschen mit Behinderungen. Im Oktober 2009 war der FPÖ-EU-Abgeordnete Andreas Mölzer von der Polizei in Villach auf frischer Tat - beim Parken seines Autos auf einem Behindertenparkplatz - ertappt worden, wie „Österreich“ berichtete.

Guido Tiefenthaler, ORF.at

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