Amazon investiert in letzte Meile

Aufgrund des ständig wachsenden Paketmarktes hat Amazon in Österreich sein erstes Verteilzentrum aufgemacht. Damit will der Versandhändler das entscheidende Kriterium im Onlinehandel für sich entscheiden.

Es ist die letzte Meile, also das letzte Wegstück beim Transport der Ware vom Paketzentrum zur Haustüre des Kunden, die über den Erfolg eines geglückten Onlinehandels entscheidet. Amazon will hier nichts dem Zufall überlassen und nimmt seit Anfang Oktober daher die Zustellung selbst in die Hand.

„Einige Millionen“ seien in das knapp 10.000 Quadratmeter große Verteilzentrum in Großebersdorf (Niederösterreich) investiert worden, sagte Ralf Kleber, Chef von Amazon Deutschland und Österreich, im Gespräch mit der APA. „Wichtig für uns ist die letzte Meile, deshalb das Verteilzentrum vor Wien, weil da eine Kundenballung ist“, so Kleber.

Amazon-Boss: E-Commerce als stark wachsendes Feld

Von Großebersdorf aus arbeitet Amazon Logistics mit neun regionalen und lokalen Geschäftspartnern zusammen, darunter Intersprint, Albatros, Veloce und LTS. Aktuell seien täglich etwa 250 Fahrzeuge im Einsatz. Die heimische Post stellt zwar nach wie vor Amazon-Pakete zu, dennoch räumte Post-Chef Georg Pölzl kürzlich ein, dass die Eigenzustellung des größten Post-Kunden nicht ohne Auswirkungen bleibt. Amazon-Boss Kleber sieht genug Platz für alle: „E-Commerce steckt noch in den Anfängen und ist ein stark wachsendes Feld. Das ist kein Bereich, in dem ein Verdrängungswettbewerb herrscht.“

Im österreichischen Verteilzentrum von Amazon sollen im Endausbau 150 Menschen arbeiten, die Personalaufnahme läuft noch. In Deutschland sind Amazon und die Gewerkschaft ver.di seit Jahren im Clinch. Streitpunkt ist die Bezahlung der Beschäftigten in den Logistikzentren. Die deutsche Gewerkschaft fordert, dass die Amazon-Beschäftigten nach dem Tarif für den Einzel- und Versandhandel bezahlt werden. Amazon betonte bisher, man könne auch ohne einen solchen Vertrag ein fairer und verantwortungsvoller Arbeitgeber sein.

In Österreich dürfte es besser gehen. „Wir wissen von dem Verteilzentrum und beobachten das natürlich. Bis jetzt sind uns aber überhaupt keine Auffälligkeiten bekannt“, sagte Peter Stattmann von der Gewerkschaft GPA-djp in Niederösterreich auf APA-Anfrage.

Bevölkerung fürchtet Verkehrskollaps

Melanie Erasim, Bezirksvorsitzende der SPÖ Mistelbach, meinte, dass die Bevölkerung „keine groben Probleme“ mit dem Verteilzentrum habe, aber doch eine gewisse „abwartende Haltung“ vorherrsche. Da die Post und DHL in Hagenbrunn stationiert seien, komme es am Vormittag schon zu einem sehr hohen Verkehrsaufkommen, wenn die Autos aller drei Unternehmen zur selben Zeit ausführen.

In dieser Hinsicht gebe es auch „Angst“ in der Bevölkerung, dass das den Verkehr zum Kollabieren bringen könne. Jede Betriebsansiedelung sei grundsätzlich zu begrüßen, allgemein müsse man bei Unternehmen wie Amazon aber schon sehr genau schauen und vor allem auch die Arbeitsbedingungen kontrollieren.

Kritik an ungleichen Wettbewerbsbedingungen

In Österreich ist der Onlinehandel fest in der Hand von Amazon. Das Kölner Handelsforschungsinstitut EHI schätzt den Umsatz in Österreich auf 643 Mio. Euro, dabei sind hier Film- und Musik-Streamingdienste sowie Waren, die Dritthändler auf Amazon anbieten, noch gar nicht mitgerechnet - denn hierfür kassiert der Onlineriese Provision. Alles zusammen dürfte sich der Umsatz von Amazon in Österreich auf mehr als 1,2 Mrd. Euro belaufen. Der zweitplatzierte Onlinehandler Zalando kommt laut EHI nur auf 230 Mio. Euro.

Seitens der Wirtschaftskammer werden seit Jahren die ungleichen Wettbewerbsbedingungen von Amazon und Händlern in Österreich angeprangert. Die Steuerpraktiken von Amazon sind auch im Visier der EU. Derzeit beschäftigt die Kammer, ob das neue Verteilzentrum in Niederösterreich ein reines Auslieferungslager ist oder eine Betriebsstätte.

„Aus heutiger Sicht kann die Frage, ob das Lager von Amazon steuerlich als Betriebsstätte zu werten ist, nicht eindeutig beantwortet werden. Das Unternehmen wurde neu gegründet und wir wissen nicht, in welchem Umfang das Logistikzentrum zum Unternehmenserfolg in Österreich beitragen wird. Am Ende des Tages wird es auch um die Frage gehen, welchen Gewinn man dieser Betriebsstätte in Österreich zuteilen wird (Stichwort: Verrechnungspreise)“, so Iris Thalbauer, Geschäftsführerin der Bundessparte Handel in der WKÖ, zur APA.