Doppelstaatsbürgerschaft: Länder am Zug

Die Bundesländer geben sich nach dem jüngsten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zu angeblichen österreichisch-türkischen Doppelstaatsbürgerschaften abwartend. Die Folgen werden nun geprüft, der Ball liegt jedenfalls bei den Ländern. Diese kritisieren teils die FPÖ.

Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) zeigte sich besorgt und verärgert, nachdem der VfGH festgestellt hatte, dass die von der FPÖ vorgelegten Unterlagen über angebliche österreichisch-türkische Doppelstaatsbürger bzw. die darin enthaltenen Informationen auf einer Vermutung beruhen würden und nicht authentisch seien.

„Klar ist, dass man mit der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht spielt, sie weder für private noch für parteipolitische Zwecke missbrauchen darf“, so Kaiser. Bei Zuwiderhandeln oder Missbrauch der Staatsbürgerschaft müsse es Konsequenzen geben, dafür seien aber hieb- und stichfeste Beweise vorzulegen und keine wenig glaubhaften Dokumente oder Gerüchte.

FPÖ „missbraucht Rechtsstaat“

„Dass die FPÖ dafür offenbar unseren Rechtsstaat missbraucht, Ressentiments gegen eine Personengruppe schürt und dadurch einmal mehr den sozialen Frieden in Österreich leichtfertig aufs Spiel setzt, ist ein Skandal und weit entfernt von jeglichem Verantwortungsbewusstsein, das eine Regierungspartei vorweisen müsste“, so Kaiser.

Dass die FPÖ für die Überprüfung der 100.000 Daten den österreichischen Steuerzahlern letztlich auch noch jede Menge Kosten aufgehalst habe, sei da nur am Rande erwähnt. Auf Kärnten entfielen laut Kaiser von den 100.000 Datensätzen laut Landeswahlbehörde 70 Fälle. Von neun Betroffenen wurden Unterlagen beigebracht, die eine Doppelstaatsbürgerschaft ausschließen. Alle anderen 61 wurden zurückgestellt, um eine Entscheidung des Verfassungsgerichts abzuwarten. Die weitere Vorgehensweise wird im Rahmen einer Länderbesprechung im Jänner festgelegt.

Auch Tirol wartet ab

Auch das Land Tirol prüfe derzeit die Auswirkungen des aktuellen VfGH-Erkenntnisses im Detail, hieß es auf Anfrage. Aufgrund der angeblichen türkischen „Wählerevidenzlisten“ sei in Tirol ein Musterverfahren eingeleitet worden, das aktuell beim Landesverwaltungsgericht anhängig sei. Da die höchstgerichtliche Rechtsprechung alle Bundesländer betreffe, werde es in naher Zukunft eine österreichweite Abstimmung der weiteren Vorgehensweise geben, so das Land - mehr dazu in tirol.ORF.at.

Die Steiermark kündigte an, in der Causa nun alle bisher ausgestellten Bescheide - auch die rechtskräftigen - nochmals zu prüfen. Derzeit sind 30 Verfahren offen - mehr dazu in steiermark.ORF.at.

FPÖ-Landesrat verweist auf andere Hinweise

Der zuständige oberösterreichische Landesrat Elmar Podgorschek (FPÖ) sieht das VfGH-Erkenntnis hingegen gelassen: „Ich nehme zur Kenntnis, dass die Liste allein nicht ausreichend ist, um die Staatsbürgeschaft abzuerkennen“, sagte er gegenüber der APA. Sie werde daher künftig „kein Beweis mehr sein, sondern ein Anhaltspunkt, dass es Verdachtsmomente gibt“. Er sei froh, dass die Sache nun ausjudiziert sei.

In Oberösterreich seien bisher 40 Verfahren eingeleitet und zwölf rechtskräftig entschieden worden. Dabei habe man sich aber ohnehin nicht auf die Liste alleine verlassen, sondern meist habe es andere Hinweise auf eine mögliche Doppelstaatsbürgerschaft gegeben, so Podgorschek. Als Beispiele nannte er, dass etwa bei Verkehrskontrollen ein türkischer Führerschein oder bei einem Grenzübertritt ein türkischer Pass vorgewiesen worden sei.

Die bisher abgeschlossenen Verfahren will Podgorschek nicht neu aufrollen - mehr dazu in ooe.ORF.at.

„Gehört rechtlich analysiert“

Michael Bergmüller, der Leiter des Referats Wahlen und Sicherheit des Landes Salzburg, sagte am Dienstag, es gebe viele Rechtsfragen, die von den Behörden auf Fach- und Beamtenebene der jeweiligen Landesregierungen zu beurteilen und zu entscheiden seien. Das VfGH-Erkenntnis habe durchaus eine Relevanz und österreichweit Bedeutung, sagte Bergmüller. „Es gehört rechtlich analysiert, wie vorzugehen ist.“ Vorerst wurden alle Verfahren gestoppt - mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Im Burgenland sind aktuell noch rund 60 Verfahren offen. Die Behörde werde die aktuelle Entscheidung des VfGH jetzt eingehend analysieren. Wie sich die Entscheidung auf einzelne Verfahren auswirken werde, könne zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht angegeben werden, hieß es aus der Abteilung 2 - Landesplanung, Sicherheit, Gemeinden und Wirtschaft.

Niederösterreich will Betroffene informieren

Auch von der Abteilung Staatsbürgerschaft und Wahlen des Landes Niederösterreich hieß es auf Anfrage, das VfGH-Erkenntnis in Sachen angeblicher österreichisch-türkischer Staatsbürgerschaften sei einer näheren Beurteilung zu unterziehen, inwieweit es tatsächlich Auswirkungen auf die vorliegenden Fälle habe. „Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass derzeit auch Fälle beim Landesverwaltungsgericht anhängig sind.“

Derzeit gibt es laut Abteilungsleiter Peter Anerinhof rund 150 offene Verfahren in Niederösterreich. Die Parteien sollen entsprechende Informationsschreiben erhalten. In circa 25 Fällen wurde die Staatsbürgerschaft rechtskräftig aberkannt. Hier sei im Einzelfall zu prüfen, inwieweit das Erkenntnis des VfGH im jeweiligen Verfahren Auswirkungen hat. „In diversen Fällen haben sich neben der Liste sonstige zu berücksichtigende Beweismittel ergeben“, hieß es.

Bregenz prüft abgeschlossene Fälle

In Vorarlberg geht das Amt der Landesregierung davon aus, dass die noch offenen Verfahren eingestellt werden. Auch rechtskräftige Aberkennungen sollen nun neu geprüft werden - mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Wien will Verfahren beenden

Als erstes Bundesland hatte Wien reagiert: Dienstagfrüh hatte der zuständige Stadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) angekündigt, „rasch“ die nötigen Schritte einzuleiten, um „ähnlich gelagerte“ Verfahren für die Betroffenen positiv zu beenden - mehr dazu in wien.ORF.at.

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