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APA/Robert Jaeger
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Wirtschaft

Historisches Budgetdefizit durch Pandemie

Die Coronavirus-Pandemie bringt Österreich einen historischen Einbruch der Wirtschaft, ein ebenso historisch hohes Budgetdefizit und auch historisch hohe Arbeitslosenzahlen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) prognostiziert für heuer einen Einbruch der Wirtschaft von 5,25 Prozent bis 7,5 Prozent. Das Budgetdefizit werde sich auf 7,5 bis zehn Prozent belaufen.

Die Arbeitslosenquote soll auf 8,75 bis 9,1 Prozent steigen. Die Zahl der Beschäftigten geht 2020 um 1,75 bis 2,5 Prozent zurück, so WIFO-Leiter Christoph Badelt und -Prognosechef Josef Baumgartner am Donnerstag im Zuge der neuesten Langfristprognose ihres Instituts. Die höheren Einbrüche beschreiben jeweils ein besonders pessimistisches Szenario mit einem besonders starken Rückgang der internationalen Konjunktur.

Für am wahrscheinlichsten hält das WIFO einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von mehr als fünf Prozent. Damit würde der Einbruch wegen der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 (minus 3,8 Prozent) deutlich übertroffen werden. Das bis jetzt höchste Budgetdefizit in den bisherigen Aufzeichnungen seit 1954 hatte es im Jahr des EU-Beitritts Österreichs 1995 gegeben. Damals betrug es 6,1 Prozent.

2021 nur verhaltenes Wachstum

Auch wird es wohl deutlich langsamer aufwärts gehen als erhofft. Denn in den Jahren 2022 bis 2024 verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum laut WIFO auf 1,5 Prozent – im wahrscheinlichsten Szenario. Nächstes Jahr wird mit einem realen Plus von 3,5 Prozent gerechnet. Dann flacht die Wachstumskurve wieder ab.

2022 wird nur ein reales Wachstum von 1,9 Prozent gesehen, im Jahr darauf von 1,7 Prozent und 2024 von 1,9 Prozent. Das macht von 2019 bis 2024 lediglich ein reales Wachstum von 0,6 Prozent.

Grafik zeigt die Wirtschaftsprognose für Österreich bis 2024
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: WIFO

Budgetdefizit wird bleiben

Das Budgetdefizit nach Maastricht-Definition sollte sich ab 2021 etwas einbremsen. Das WIFO sieht für nächstes Jahr ein Minus von 3,3 Prozent, für 2022 eines von 2,3 Prozent, für 2023 –1,7 Prozent und für 2024 immer noch ein Defizit von 1,2 Prozent. So ergäbe sich im Durchschnitt von 2019 bis 2024 ein Minus von 3,2 Prozent.

Im heurigen zweiten Quartal wird jedenfalls mit einer globalen Rezession in noch nie da gewesener Größe und Synchronität gerechnet. Wenigstens sollte die wirtschaftliche Aktivität aber hierzulande dank der gewissen Lockerungen nach vier Wochen des Stillstands wieder etwas an Fahrt aufnehmen, so ein kleiner vom WIFO prognostizierter Silberstreif am Horizont.

WIFO-Chef will „gesamthafte Lösung“

Was die Forderung nach Vermögenssteuern zur Finanzierung der Krisenfolgen angeht, zeigte sich WIFO-Chef Christoph Badelt am Donnerstag zwar nicht grundsätzlich abgeneigt, plädierte aber für eine „gesamthafte Lösung“. Diese müsse sowohl eine Entlastung der Abgaben auf Arbeit enthalten als auch eine stärkere Ökologisierung und eine stärkere Vermögensorientierung des Steuersystems: „Wir halten nichts davon, jetzt punktuell irgendein steuerpolitisches Instrument herauszugreifen und zu sagen, das machen wir dann.“

WIFO-Chef Badelt über die Wirtschaftsprognose

Christoph Badelt, Chef des Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO, über die Wirtschaftsprognose seines Instituts und die wirtschaftlichen Maßnahmen in Österreich.

Badelt empfahl der Regierung einen „Kassasturz“ nach dem Auslaufen der aktuellen Krisenhilfen. Dann müsse geprüft werden, wie die aktuelle Situation mit den sonstigen wirtschaftspolitischen Zielen der Regierung – Stichwort: Steuerreform und Klimapolitik – verbunden werden könne. Ein möglicher Zeitpunkt dafür wäre der Herbst – „wenn es gutgeht vom Medizinischen her im September, Oktober“.

Grafik zeigt Daten zum Rekorddefizit in Österreich
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Statistik Austria/BMF/WIFO

„Kein Problem“ für Staatsverschuldung

Bei der Staatsverschuldung sieht Badelt trotz des erwarteten Anstiegs „kein Problem in Sicht“. Er verwies aber auf gute Ausgangslage und niedrige Zinsen: „Dem österreichischen Staat passiert zunächst einmal gar nichts, selbst wenn es 90 Prozent wäre.“

Die Forderung, Kosten der Wirtschaftskrise durch eine einmalige Vermögensabgabe zu finanzieren, war zuletzt von der globalisierungskritischen Organisation ATTAC gekommen. Aber auch der Internationale Währungsfonds brachte höhere Vermögenssteuern sowie Solidarabgaben für Bezieher höherer Einkommen ins Spiel.

Badelt fordert Nachschärfung der Maßnahmen

Badelt bezeichnete die wirtschaftspolitischen Maßnahmen in der Coronavirus-Krise zwar als „prinzipiell richtig. Sie haben die Krise abgemildert. Sonst gäbe es sicher eine totale Katastrophe“, so der Ökonom. „Für die Zukunft ist aber ein Nachschärfen bei einigen Maßnahmen notwendig – vor allem in der Praxis der Umsetzung.“

Freilich sei es „immer schwierig, wenn man über Nacht ein Paket schnürt“, daher gebe es auch „ein paar Lücken“. Diese ortet der WIFO-Chef etwa bei jungen und kleineren Unternehmen. Denn diese würden zum Teil durch die Eigenkapitalrestriktion im Notfallfonds von acht Prozent, die für gewisse Hilfen notwendig sind, von diesen überlebensnotwendigen Hilfen ausgeschlossen, „obwohl sie an sich lebensfähig sind und die Hilfen brauchen“, so Badelt. Firmen in den ersten Jahren haben oft negatives Eigenkapital. „Sie kommen nicht an den Notfallfonds heran.“

WIFO: Eigenkapital könnte zu großem Problem werden

Zudem könnten die Zahlungen aus dem Härtefallfonds „womöglich zu kurz und zu niedrig ausfallen“. Möglich sind zweimal drei Monate. „Wir rechnen auch damit, dass bei Einpersonenunternehmen noch größere Schwierigkeiten auftauchen werden“, warnte der Wirtschaftsforscher.

Richtig sei es, jetzt Hilfen primär auf die Liquidität abzustellen. „Aber nach der Liquidität kommen wahrscheinlich Probleme bei der Eigenkapitalbasis der Unternehmen.“ Das gelte vor allem für kleinere Firmen.

Das Thema Eigenkapital werde eines der größten volkswirtschaftlichen Probleme werden, wenn die Krise vorbei ist. „Bei größeren wird sich auch die Frage nach Staatsbeteiligungen stellen“, so Badelt. Solche sollte man pragmatisch und nicht ideologisch sehen und auch eingehen. Einige Jahre solle der Staat in Unternehmen einsteigen, wo das notwendig sei, um sich danach am besten mit einem Gewinn wieder aus ihnen zu verabschieden.