Laut KSV gibt es derzeit weniger Insolvenzen als üblich. Der KSV warnt nun vor deutlichen Konsequenzen für die heimische Wirtschaft bei Fortführung dieses Vorgehens.
„Nur weil weniger Insolvenzen vor Gericht angemeldet werden, heißt das noch lange nicht, dass weniger Unternehmen zahlungsunfähig geworden sind“, warnte KSV-Insolvenzexperte Karl-Heinz Götze vor einer Missinterpretation der Insolvenzstatistik.
Frist für Insolvenzanträge ausgeweitet
Es gibt mehrere Gründe für die vom KSV thematisierte Verzerrung. So wurde die Frist für Insolvenzanträge, etwa bei Zahlungsunfähigkeit, von 60 auf 120 Tage ausgeweitet. Eine Vielzahl der Unternehmen würde zuwarten und hoffen, mit Hilfe staatlicher Mittel aus der Krise zu kommen.
Zudem stellen die österreichischen Finanzbehörden sowie die Gesundheitskassen keine Insolvenzanträge – sie sind aber in Normalzeiten die Hauptantragssteller. Auch brauchen Kapitalgesellschaften derzeit keine positive Fortbestehensprognose, weil diese oft gar nicht möglich ist.
Offener Brief des KSV
„Der KSV plädiert für eine Beendigung der Nichtantragstellung im Fall von insolventen Unternehmen per 30. Juni 2020 und damit für die rasche Wiederaufnahme des bereits in der Vergangenheit gut funktionierenden österreichischen Insolvenzsystems“, schreiben die KSV-Chefs Ricardo-Jose Vybiral und Hannes Frech in einem offenen Brief.
„Nicht der Insolvenzantrag ist das Problem; die negativen Auswirkungen bei einer Verschleppung schaden allen Beteiligten. So hat weder das Unternehmen eine Chance auf Sanierung; Gläubiger erhalten nicht einmal einen Bruchteil ihrer Forderungen; Arbeitsplätze werden unnötig vernichtet und die Erholung der heimischen Wirtschaft wird auf die lange Bank geschoben“, heißt es weiter in dem offenen Brief.
„Mit diesem Vorgehen werden Unternehmen regelrecht dazu ermutigt, mit einem Insolvenzantrag zuzuwarten“, kritisiert Götze. „Das kann bedeuten, dass sie nicht rechtzeitig die Chance erhalten, durch ein Insolvenzverfahren ihr Unternehmen zu sanieren und so einen Neubeginn zu starten.“
Chance auf Neubeginn
Ein Insolvenzverfahren biete die Chance auf einen „ehrlichen und besonders nachhaltigen Neubeginn“, so der KSV: Ein Hinauszögern der Antragstellung vermindere nicht nur die Entschuldungschancen, sondern vergrößere womöglich bereits bestehende Vermögensschäden.
Durch die aktuelle Handhabe seitens der Finanz- und der Gesundheitskasse, keine Insolvenzanträge zu stellen, werde kein Problem gelöst, sondern vielmehr die Tatsache von kränkelnden Unternehmen negiert, bemängelte KSV-Geschäftsführer Vybiral.
Konkret haben die Firmen nun länger als ursprünglich geplant die Möglichkeit, ihre Sozialversicherungsbeiträge (auch rückwirkend bis Februar) stunden zu lassen. „Mit ihrer Verordnung hat die Bundesregierung die notwendige Rechtssicherheit für Unternehmen geschaffen und der ÖGK den gesetzlichen Handlungsspielraum ermöglicht, um Betriebe weiterhin bei coronabedingten Liquiditätsengpässen entlasten zu können“, teilte die ÖGK dazu zuletzt mit. Bis 15. Jänner 2021 sind die Beiträge zu zahlen.