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Getty Images/PhotoAlto
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Bildung

Diskriminierung meist ohne Konsequenzen

Ethnische Herkunft und Religion sind die häufigsten Gründe für Diskriminierung an Schulen und Unis. Das zeigt der am Montag präsentierte Bericht 2019 der Initiative für ein diskriminierungsfreies Bildungswesen (IDB). Konsequenzen gab es selten.

In 69 Prozent der Fälle gab es laut IDB weder eine Nachbearbeitung noch ein Gespräch mit Täter oder Täterin. 403 Fälle wurden dem gemeinnützigen Verein diesmal über diverse digitale Kanäle und Partnerorganisationen gemeldet. Das sind ein Drittel mehr als im Vorjahr, was IDB-Vertreterin Marlies Alt bei der Pressekonferenz auch auf die stärkere Vernetzung und Bekanntheit des Vereins zurückführt.

Ein vollständiges Bild sei das noch immer nicht, lediglich die Spitze des Eisbergs. Werden Fälle gemeldet, sähen etwa Schulleiterinnen und Schulleiter oft keinen Handlungsbedarf. „Dass solche Aussagen ignoriert werden, ist eines der grundlegenden Probleme unseres Bildungswesens“, kritisiert Alt. Für Vorstandsmitglied Persy Lowis-Bulayumi sind die Zahlen „auf jeden Fall ein Armutszeugnis für unsere Gesellschaft und unser Bildungswesen“. Scheinbar sei noch nicht angekommen, welche Auswirkungen solche Kränkungen auf den Selbstwert junger Menschen hätten und wie dadurch Bildungskarrieren verbaut würden.

Ethnische Herkunft und Religion

In 44 Prozent der gemeldeten Fälle wurden 2019 Menschen wegen ihrer ethnischen Herkunft diskriminiert. Fast ebenso viele (43 Prozent) haben ihre Religion bzw. Weltanschauung als Diskriminierungsgrund gemeldet, darunter betrafen fast drei Viertel der Meldungen Islamophobie, ein Viertel Antisemitismus und zwei Prozent Diskriminierung wegen Atheismus. In zwei Drittel der gemeldeten Fälle haben die Betroffenen ihren Glauben nicht offen gezeigt. Das zeigt für Alt, dass „Unsichtbarkeit von Religionszugehörigkeit definitiv nicht vor Diskriminierung schützt“. Vergleichsweise selten gemeldet wurde Diskriminierung wegen Sexismus (zehn Prozent) oder Behinderung (drei Prozent).

„Wenn du die Hausübung nicht machst, dann kannst du dorthin gehen, wo du hergekommen bist“, hat etwa eine NMS-Lehrerin einer Schülerin laut Meldung ausgerichtet. Ein tschetschenischer Schüler bekam zu hören, dass er ohnehin beim AMS landen werde und Tschetschenen nur Kinder zeugen wollten, damit diese Krieg gegen die Russen führen könnten.

Eine Chemiestudentin mit Kopftuch wurde von ihrem Betreuer gefragt, ob sie eh nicht „Allahu Akbar ruft und irgendwas in die Luft jagt“. Im Jahresbericht finden sich auch Berichte über Whatsapp-Gruppen von Schülerinnen und Schülern, in denen Hitler-Bilder und Hakenkreuze verschickt wurden, und die Schilderung des Falls einer Einserschülerin mit Gehbehinderung, der nur wegen ihrer Einschränkung der Wechsel an die Wunsch-AHS verwehrt werden sollte. „Wir lassen als Gesellschaft oftmals auch Träume platzen und das ist sehr, sehr schade“, so Lowis-Bulayumi.

Kopftuchverbot als „Negativ-Highlight“

Die meisten Meldungen sind dabei von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden eingegangen (71 Prozent), nur jeweils ein Prozent der Meldungen kamen von Pädagoginnen und Pädagogen bzw. Professorinnen und Professoren, für mehr als ein Viertel der Fälle lagen keine Angaben vor. Als Täterinnen und Täter wurden am häufigsten Lehrerinnen und Lehrer (41 Prozent) sowie Schülerinnen und Schüler (28 Prozent) genannt, Ort des Geschehens waren laut Meldungen am öftesten Universitäten und Hochschulen, Volksschulen, AHS, berufsbildende höhere Schulen und Neue Mittelschulen (NMS).

Zwei „Negativ-Highlights“ des Jahres 2019 waren für IDB-Obfrau Sonia Zaafrani die Einführung des vielfach kritisierten Kopftuchverbots an Volksschulen und der Deutschförderklassen. Sie appellierte an die Regierung, diese „Diskriminierungsklassen“ zu beenden. Die IDB hat außerdem einen Elf-Punkte-Plan vorgelegt, um Diskriminierung im Bildungssystem zurückzudrängen. Die Vorschläge umfassen u.a. eine Erhebung, wo und wie Diskriminierung an den Schulen vorkommt, die Schaffung einer unabhängigen Melde- und Beschwerdestelle nach Wiener Vorbild in allen Bundesländern, mehr Vielfalt und bessere Schulung von Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulleiterinnen und Schulleitern.