Eine Betreuerin in einem Pflegeheim hilft einer Bewohnerin
ORF.at/Christian Öser
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CoV-Krise

Pflegeheime fühlten sich alleingelassen

Ein Drittel der an oder mit Covid-19 verstorbenen Menschen in Österreich waren Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeheimen. Beim Schutz dieser Risikopatienten seien die Leiter und Pfleger der Einrichtungen in der Krise oft auf sich allein gestellt gewesen, wie der Bundesverband Lebenswelt Heim am Dienstag beklagte.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seien mit unzureichender Schutzausrüstung und Tests sowie fehlender Rechtssicherheit konfrontiert gewesen. Anhand einer Zeitleiste zeigte der Präsident des Bundesverbands Lebenswelt Heim, Markus Mattersberger, die für die Pflege herausfordernde Zeit auf.

Obwohl der Grazer Public-Health-Experte Martin Sprenger darauf hingewiesen habe, dass Pflegebedürftige und Pflegebewohner das größte Risiko hätten, an SARS-CoV-2 zu sterben, habe es Ende März – zwei Wochen nach dem „Lock-down“ – noch keine bzw. nur sehr wenig Schutzausrüstung in den Einrichtungen gegeben, berichtete Mattersberger.

Unkontrollierte Ansteckung

Die Folge waren unkontrollierte Ansteckungen in Pflegeheimen. In einer Einrichtung gab es laut Mattersberger nur noch vier gesunde Pfleger für die Betreuung von 30 Heimbewohnern. Normal sind laut Josef Berghofer, Vorsitzender für die Heime im Burgenland im Bundesverband, 20 Pfleger für 30 Bewohner; in Wien sind es sogar über 30 Betreuer für 30 alte Menschen.

Mitte April gab es in drei Einrichtungen nach Todesfällen von Heimbewohnern bereits Ermittlungen vonseiten der Staatsanwaltschaft wegen grob fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Gemeingefährdung, da das Personal ohne ausreichende Schutzausrüstung arbeiten musste. „Wenn die aber nicht zur Verfügung steht, wer trägt die Verantwortung?“, gab Berghofer zu bedenken.

Zu dieser Zeit verfügten laut Datenerhebungen in über 200 Einrichtungen nur noch 50 Prozent über genügend Schutzkleidung, Masken, Handschuhe und Desinfektionsmittel. Ende April, als bereits erste Lockerungen angekündigt wurden, hatten in 330 Einrichtungen nur noch 48 Prozent der befragten Heime ausreichend Schutzausrüstung. Die Leiter der Einrichtungen wurden kreativ. So stellten lokale Unternehmer ihr Material zur Verfügung.

Kritik an freiheitseinschränkenden Maßnahmen

Die Einrichtungen sahen sich auch mit Klagen wegen der freiheitseinschränkenden Maßnahmen konfrontiert. Die Bewohner wollten ihre Angehörigen sehen und umgekehrt. Dennoch galt es, die Risikogruppe zu schützen. Vonseiten der Regierung kamen allerdings lediglich Empfehlungen, die Rechtssicherheit fehlte, sollten sich in Heimen aufgrund eines Kontakts die Bewohner reihenweise anstecken. Die Einrichtungen versuchten die Auswirkungen der strengen Besuchsregeln abzumildern, indem sie etwa Begegnungszonen mit Plexiglastrennwänden einführten.