Webseite von Amazon auf einem Handy zwischen Weihnachtsgeschenken
ORF.at/Roland Winkler
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Wirtschaft

Allianz gegen Amazons Übermacht

Am Dienstag haben Gewerkschaft, Greenpeace und der Handelsverband einen „Schulterschluss“ vollzogen: Gemeinsam richteten sie Vorschläge an die Bundesregierung, um Onlinegiganten auch auf österreichischer Ebene zu begegnen. Amazon, das gerade in und durch die Krise enorme Gewinne schreibt, müsse endlich fair besteuert werden.

Forderungen an die Politik bezüglich der Marktübermacht von Amazon und Co. sind nicht neu. Umgesetzt wurde bisher heuer eine erhöhte Werbeabgabe von fünf Prozent, die gezielt auf internationale Digitalkonzerne abzielt. In den Augen der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), der Umweltorganisation Greenpeace und dem Handelsverband ist das bei Weitem nicht genug. Am Dienstag – wenige Stunden, bevor die EU Gesetze für digitale Dienste und Märkte vorstellte – luden sie zu einer gemeinsamen Pressekonferenz und zeigten Hebel auf, die auch auf nationalstaatlicher Ebene funktionierten, wie es hieß.

Amazon streiche gerade in der Pandemie durch den Boom im Onlinehandel Milliardengewinne ein – auf Kosten von Arbeitsrecht, Umwelt und Einzelhandel – und schaffe es dabei, kaum oder gar keine Steuern zu zahlen. Das Krisenjahr habe Amazon weltweit ein Plus von 40 Prozent beim Umsatz gebracht, in Österreich alleine setze der Konzern im Jahr über 850 Millionen Euro um.

Und von den EU-Staaten habe Amazon voriges Jahr noch eine Steuergutschrift in Höhe von 300 Millionen Euro erhalten. Dieser Entwicklung müsse ein Riegel vorgeschoben werden. Die Forderung lautet faire Besteuerung, die Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten und die Förderung von lokaler Kreislaufwirtschaft statt einer „Verpackungslawine“.

Verpackungsflut und „Spitzelei“

Alexander Egit von Greenpeace führte aus, dass Amazon inzwischen ein enormes Umweltproblem darstelle und die „Klimakrise anheizt“. Jedes Produkt, das via Amazon versandt werde, müsse noch einmal verpackt werden. In Österreich seien das im Jahr 250 Millionen Pakete, davon gehen 150 Mio. an Einzelkundinnen und -kunden. 33 Mio. Pakete würden zurückgeschickt, davon 1,3 Millionen sofort vernichtet. „Jedes Unternehmen in Österreich zahlt eine Abgabe auf Verpackungen“, so Egit. Amazon hingegen könne nicht in die Haftung gebracht werden. Egit forderte etwa eine Plattformhaftung, die sicherstelle, dass Amazon für Verpackungen eine Abgabe bezahlen muss.

Maßnahmen gegen begünstigte Online-Konzerne gefordert

Viele Online-Konzerne nutzen rechtliche Lücken aus. Gewerkschaft, Handelsvertreter und Umweltschützer wollen Maßnahmen gegen Begünstigungen.

Das Geschäftsmodell sei zudem „extrem energieaufwendig“. Und es gebe eine demokratiepolitische Komponente: International würden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich für Klimaschutz einsetzten, mit Entlassung bedroht. Auch gebe es Spitzeltätigkeiten, etwa auch gegen Greenpeace, so Egit. Auch hier müsse die Bundesregierung Maßnahmen ergreifen.

„Es bleibt viel Geld liegen“

GPA-Vorsitzende Barbara Teiber ergänzte, dass Amazon weltweit versuche, betriebsrätliche Arbeit zu unterbinden. Man habe auch im Verteilzentrum Großebersdorf (Niederösterreich) unverhältnismäßige Arbeitsbedingungen aufgedeckt, so Teiber, darunter Überwachung des Personals, Disziplinierungsmaßnahmen und „erniedrigende Vorschriften“. Die Situation von Boten und Botinnen sei ebenso dramatisch: Sie würden in Leasing-Verträge oder Scheinselbstständigkeit gedrängt und berichteten von Zwölfstundentagen. Der Anteil von Leiharbeitsunternehmen solle in einem ersten Schritt auf 50 Prozent gesenkt werden, forderte Teiber.

Digitale Betriebsstätte

Digitale Betriebsstätte ist ein Begriff aus dem internationalen Steuerrecht. Dabei sollen Umsätze und Gewinne erfasst werden, die von einem Unternehmen erwirtschaftet werden, das keine feste Geschäftseinrichtung im Land unterhält.

Österreich könne zudem Steuern auch auf den Verkauf von Nutzerdaten einheben und Plattformgebühren. Bis die Forderung nach einer Digitalen Betriebsstätte umsetzbar sei, müsse anders Steuergerechtigkeit erfolgen: Eine „fiktive Gewinnbesteuerung“ solle einstweilen fünf Prozent des Umsatzes besteuern. „Es gibt auch Maßnahmen auf nationaler Ebene“, so Teiber. „Hier bleibt wirklich viel Geld auf der Straße liegen.“

Ungleichgewicht der Freiheiten

Der Geschäftsführer des Handelsverbandes, Rainer Will, kritisierte, dass die hohe Marktkonzentration im Onlinehandel „die Bilanz eines jahrelangen regulatorischen Versagens“ sei. Die zehn größten Webshops erwirtschaften gemeinsam fast die Hälfte des gesamten österreichischen Onlineshopping-Umsatzes, Marktführer Amazon kommt auf ein Viertel. Die Pandemie habe die Lage noch verschärft: Während Amazon von ihr profitiere, seien rund 6.500 heimische Händler nun in ihrer Existenz gefährdet.

Ein Amazon-Mitarbeiter hantiert Pakete auf dem Förderband
Reuters/Brendan Mcdermid
Auch die Arbeitsbedingungen waren bei Gewerkschaft, Greenpeace und Handelsverband Thema

Will forderte die Regierung dazu auf, ihr eigenes Programm umzusetzen, indem man regulatorische und steuerliche Schlupflöcher schließe. Er sprach sich auch für eine Plattformhaftung für Fake-Produkte aus. Der Schaden durch Produktpiraterie sei enorm. Die heimische Kundschaft würde „mit falsch deklarierten Fake-Produkten geflutet“, auch der Verpackungsmüll werde nicht korrekt vergebührt. Das müsse sich durch strengere Zollkontrollen ändern.

Amazon weist Vorwürfe zurück

Amazon selbst wies die Vorwürfe zu geringer Steuerzahlungen zurück. „Amazon zahlt alle anwendbaren Steuern in allen Ländern, in denen wir agieren“, hieß es in einem Statement eines Sprechers gegenüber der APA.

Auf Kritik rund um die Arbeitsbedingungen entgegnete der Onlinehändler: „Tatsache ist, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Amazon bereits von exzellenten Löhnen, exzellenten Zusatzleistungen und exzellenten Karrierechancen profitieren – und das alles in einer sicheren, modernen Arbeitsumgebung.“

„Nehmen Dialog gerne auf“

Die Forderungen fanden am Dienstag aber Zuspruch bei der Regierung und der SPÖ. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) ließ über Twitter wissen, dass das Signal der Handelsvertreter ernst genommen werde. „Gerne nehmen wir den Dialog zu weiteren Schritten auf“, so Kogler.

Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) schlug in dieselbe Kerbe. „Wir werden uns weiterhin für eine internationale Lösung zu diesem Thema einsetzen und ich freue mich, wenn es hier breite Unterstützung in Österreich gibt.“

Auch der Finanzsprecher der SPÖ, Kai Jan Krainer, begrüßte die Forderungen. Die SPÖ fordere schon seit Langem, dass internationale Onlinekonzerne gerecht besteuert werden.

EU will Onlineunternehmen in die Pflicht nehmen

Mehr Fairness auf dem Markt und strengere Besteuerung will auch die EU-Kommission. Dazu sollen zwei Gesetze, der Digital Services Act und der Digital Markets Act, einen großen Teil beitragen. Am Dienstag wurden dazu entsprechende Vorschläge in Brüssel vorgelegt. Durch europaweit einheitliche Regeln soll es für kleine Unternehmen einfacher werden, im Wettbewerb zu bestehen. Bis es zu einer Umsetzung kommt, wird es aber noch Jahre dauern.