Soziales

Weniger Delogierungen im Pandemiejahr

Im Jahr 2020 ist die Zahl der Delogierungen in Österreich um ein Viertel zurückgegangen. Wohnungslosenhilfe und Arbeiterkammer befürchten aber künftig eine Welle an Räumungen.

Gab es in den zwei Jahren davor jeweils über 4.500 Delogierungen, sind 2020 nur noch 3.360 Räumungsexekutionen vollzogen worden, wie aus einer Statistik der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAWO) hervorgeht. Dort wird der Rückgang um ein Viertel mit der Pandemie erklärt. Ähnlich wie bei den Insolvenzen, die 2020 ebenfalls rückläufig waren, wird mit einem Nachholeffekt und einer Delogierungswelle gerechnet.

Eine Grafik zeigt eingebrachte Räumungsklagen und vollzogene Räumungen in den vergangenen Jahren
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BAWO

Hilfsfonds gefordert

Wann und um wie viel die Delogierungen steigen werden, ist für die Sozialexperten der Wohnungslosenhilfe schwer vorauszusagen. Dies hänge auch vom Tempo der Gerichte ab, die über eingebrachte Räumungsklagen zu entscheiden haben, hieß es zur APA. Die Zahl der Räumungsklagen ging 2020 ebenfalls stark zurück, von über 30.000 2019 auf 18.452 im Vorjahr. Insbesondere die Arbeiterkammer und die SPÖ warnen vor einer durch die Pandemie ausgelösten Sozialkrise. Der Ruf nach einem staatlichen Hilfsfonds wird auch von Vermieterseite unterstützt.

Die Bundesregierung hatte 2020 im ersten Lockdown eine Stundung der Mieten von April bis Juni 2020 ermöglicht. Diese müssen jedoch seit April dieses Jahres mit Zinsen zurückgezahlt werden. Jene Mieter, die ihre Miete in der Zeit ausgesetzt hatten, haben aber einen besonderen Kündigungsschutz. Ihr Mietvertrag kann allein wegen dieses Mietzinsrückstandes bis Ende Juni 2022 nicht gekündigt werden. Zudem besteht für alle Mieter derzeit ein spezieller Coronavirus-Delogierungsschutz bei finanziellen Problemen: Bis Juni 2021 kann ein Räumungsaufschub beantragt werden – die Räumung kann damit um drei bis sechs Monate aufgeschoben werden, wie sich aus dem 2. Covid-19-Justizbegleitgesetz in Verbindung mit dem Mietrechtsgesetz (MRG) ergibt.

Sorge vor Welle an Räumungen

In der vom Justizministerium erstellten Statistik zu den Exekutionen wird nicht zwischen Privatpersonen und Firmen unterschieden. Delogierungen können nämlich auch juristische Personen, etwa Kaffeehäuser oder Büros, betreffen. Ebenfalls nicht bekannt ist, wie viele Mieter ihre Mieten vergangenes Jahr tatsächlich gestundet haben.

Die Arbeiterkammer befürchtet jedenfalls, dass heuer an die 49.000 Kündigungen und Räumungsklagen drohen – und 17.000 Mieter und Mieterinnen delogiert werden könnten. Laut AK sind allein in Wien die Mietzinsrückstände bis Ende vergangenen Jahres um mindestens 20 Prozent gegenüber 2019 gestiegen. Im Schnitt stünden Betroffene mit über drei Monatsmieten „in der Kreide“ – heuer könnten österreichweit mehr als 83 Mio. Euro an Mieten nicht bezahlt werden.