Stiegenhaus
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Chronik

Ein Toter pro Woche durch Stiegensturz

Im Schnitt verletzt sich alle 18 Minuten ein Mensch bei einem Stiegensturz so schwer, dass er im Spital versorgt werden muss. Insgesamt sind das jedes Jahr 28.500 Verletzte. 58 sterben laut Untersuchung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) bei derartigen Unfällen.

Laut KFV gehören somit Sturzunfälle im Innenbereich des unmittelbaren Wohnbereichs zu den stark unterschätzten Gesundheitsrisiken. Das KFV hat eine Erhebung durchgeführt, demnach könnten viele Unfälle vermieden werden, wenn Stiegenhäuser sicher gebaut und gestaltet wären.

Stufenhöhen und Beleuchtung

„Zu Stürzen kommt es in der Regel, wenn der vom Menschen automatisierte Bewegungsablauf gestört wird. Solche Faktoren sind z. B. Stufenhöhen, die sich plötzlich ändern, unzureichende Beleuchtung, wodurch Treppenanfänge oder Stufenkanten schwer erkennbar werden, oder fehlende Handläufe“, sagte KFV-Sprecherin und Präventionsexpertin Johanna Trauner-Karner.

Das KFV hat österreichweit 700 mehrgeschoßige Wohnhäuser unterschiedlicher Bauperioden mit mehr als drei Wohneinheiten überprüft. Die Ergebnisse waren nicht nur in Altbauten (Baujahr bis 1918) und Zwischen- und Nachkriegsbauten (Baujahr 1919 bis 1960), sondern auch in Neubauten (Baujahr ab 1961) ernüchternd. Sicherheitsrisiken finden sich vor allem im Bereich der Beleuchtung, Handläufe oder Absturzsicherungen für Kinder.

Mängel bei Geländern

In drei Viertel der erhobenen Wohnbauten waren nicht immer Handläufe auf beiden Seiten vorhanden. „Obwohl auf Treppen mit zwei oder mehr Stufen laut ÖNORM B 5371 Handläufe auf beiden Seiten vorzusehen sind, ist dies in vielen Wohnhäusern nur auf einer Seite der Fall. Dabei ist das Geländer auf beiden Seiten eine wichtige Sturzvorkehrung“, sagte Trauner-Karner.

„Für ein sicheres Stiegenhaus sollten Handläufe außerdem noch 30 Zentimeter über das Ende der letzten Treppenstufe hinausreichen. Auch dies ist in vielen Häusern nicht erfüllt: Bei 43 Prozent der Gebäude endeten die Handläufe abrupt oder bereits davor. Im Fall eines Sturzes im unteren Treppenbereich ist dieser Sicherheitsmangel ein besonderes Problem“, sagte Trauner-Karner.

In Zeiten der Coronvirus-Pandemie werden Geländer von den Menschen zudem häufig gemieden. „Unsere Erhebungen zeigen, dass viele Menschen seit Beginn der Coronavirus-Krise vermeiden, den Handlauf beim Treppensteigen anzufassen, um einer Ansteckung vorzubeugen.“ Auch die Beleuchtung kann schnell zu einem Problem werden: Etwa jedes zehnte Stiegenhaus (neun Prozent) ist schlecht, weitere 38 Prozent nicht korrekt ausgeleuchtet.

Sicherheitsrisiken für Kinder

Für Kinder können Stiegenhäuser zur Gefahr werden, oftmals ist Überklettern oder Duchschlüpfen möglich. In weit mehr als der Hälfte der überprüften Gebäude war das Geländer bei einer möglichen Absturzhöhe von bis zu zwölf Metern niedriger als einen Meter. Mehr als ein Drittel der Geländer enthielt Elemente, die als Aufstiegshilfe genutzt werden konnten – also Kindern ein Erklettern ermöglichen.

Auch der Maximalabstand von zwölf Zentimetern zwischen zwei Geländersprossen sowie der Abstand zwischen Boden und Geländer, der ein Durchschlüpfen von Kindern verhindern soll, wurde in vielen Gebäuden überschritten.

Bei Unfall droht Klage gegen Vermieter

Die Umsetzung von Sicherheitsmaßnahmen wird schwierig, wenn es sich nicht um die eigenen vier Wände, sondern um eine Mietwohnung in einem Mehrparteienhaus mit mangelhaftem Stiegenhaus handelt. Jedem Vermieter muss klar sein, dass ihm im Falle eines Sturzes eine Klage droht, wenn er sich nicht um die Sicherheit seiner Stiegenhäuser kümmert, warnte das KFV. Deshalb appelliert das KFV an alle Vermieter, ihre Stiegenhäuser technisch sicher zu gestalten. Die Sturzgefahr kann so wesentlich verringert werden