Ausgetrocknete Wiese
Getty Images/iStockphoto/Schlegelfotos
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Umwelt und Klima

Österreich drohen bis zu fünf Grad mehr

Seit Beginn der Industrialisierung ist es hierzulande um rund zwei Grad wärmer geworden. Das belegen die Statistiken der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Folgt keine Trendumkehr, wird die Erwärmung bis zum Jahr 2100 bei mindestens fünf Grad liegen.

Wie stark sich die zwei Grad in Österreich bereits auswirken, zeigen Hitzetage mit mindestens 30 Grad Celsius. Laut ZAMG gab es im Zeitraum 1961 bis 1990 in den meisten Landeshauptstädten pro Jahr zwischen fünf und elf solcher Tage, die Rekordwerte lagen bei 20. Im Zeitraum 1991 bis 2020 verzeichneten die Klimaforscher bereits zwischen 16 und 22 Hitzetage, und die Rekorde lagen bei über 40.

„Das könnte sich fortsetzen: Der derzeit noch extreme Wert von 40 Hitzetagen pro Jahr in Österreich wird bei einem weltweit ungebremsten Ausstoß von Treibhausgasen am Ende des Jahrhunderts der Normalfall sein“, so die ZAMG in einer Aussendung. Die Höchstwerte würden dann „in einem derzeit noch völlig unvorstellbaren Bereich von 60 bis 80 Tagen über 30 Grad pro Jahr liegen“.

Regentage sehen anders aus

Besonders im Sommer veränderte sich in den vergangenen Jahrzehnten auch die Verteilung der täglichen Regenmengen: Die Zahl der Tage, an denen es wenig regnet, wurden seltener. Um zehn bis 30 Prozent häufiger wurden in den vergangenen 30 Jahren hingegen Tage mit sehr viel Niederschlag. „So kommt es zur scheinbar paradoxen Tatsache, dass im Sommer sowohl die trockenen Phasen als auch die starken Regenereignisse intensiver und häufiger wurden“, so die ZAMG.

Erwärmung der letzten 30 Jahre in Österreich: Dargestellt ist die Differenz der Klimaperiode 1991-2020 zu Klimaperiode 1961-199.
ZAMG

Die zunehmende Hitze bringt auch enorme Risiken für die Gesundheit: „Hitze wird als Gefahr immer noch unterschätzt, weil es oft schwierig ist, nachzuweisen, dass ein Tod durch z. B. Herz-Kreislaufversagen von einer Hitzewelle verursacht wurde. Zahlreiche Studien belegen aber, dass in Europa deutlich mehr Menschen durch Hitzewellen sterben als durch Stürme, Hochwasser oder andere Wetterextreme“, so die ZAMG.

Einfluss auf Vegetation

Der Klimawandel beeinflusst auch die Vegetation. In Österreich gibt es etwa zwar keinen Trend zu weniger Niederschlag, trotzdem steigt die Gefahr von Dürren. Denn die stetige Erwärmung wirkt sich stark auf die Wasserbilanz aus: Je wärmer es ist, desto mehr Feuchtigkeit verdunstet aus den Böden in die Luft.

Grafik zur Temperaturentwicklung Ö
ZAMG/ÖKS15/Morice et al. 2021

Außerdem verlängert ein wärmeres Klima die Vegetationsperiode, und die Pflanzen entnehmen über einen längeren Zeitraum Wasser aus den Böden. Untersuchungen für den Alpenraum zeigen weiters, dass in den kommenden Jahrzehnten die Schwankungen der Niederschlagsmenge von Jahr zu Jahr größer werden könnte, wodurch die Dürregefahr zusätzlich steigt.

Schneedecken werden sehr schnell dünner

Auch auf den Schneefall hat der Klimawandel enorme Auswirkungen. Den Prognosen der ZAMG zufolge bleibt es in den kommenden Jahrzehnten nur noch oberhalb von etwa 1.500 bis 2.000 Meter kalt genug für Schneefall. In tiefen Lagen wird es stattdessen immer öfter regnen. Zum Beispiel hat in Österreich die Zahl der Tage mit einer Schneedecke in Wien, Innsbruck und Graz in den vergangenen rund 90 Jahren um etwa 30 Prozent abgenommen.

Spät – aber noch nicht zu spät

Bei weltweit ungebremsten Emissionen von Treibhausgasen wird die Schneedeckendauer bis zum Jahr 2100 in Lagen unterhalb von etwa 400 Meter Seehöhe um rund 90 Prozent abnehmen, in Lagen um 1.500 Meter um etwas mehr als 50 Prozent. Aber auch die ZAMG betonte, dass die verheerenden Zukunftsprognosen nicht eintreffen müssen, wenn noch gegengesteuert wird. Bei Einhaltung des Pariser Klimaziels könnte sich die Erwärmung in Österreich und weltweit in den nächsten Jahrzehnten knapp über dem aktuellen Niveau einpendeln, heißt es.

„Uns als nationalem Wetterdienst ist wichtig, möglichst detailliert die neuesten Erkenntnisse zur Vergangenheit und Zukunft des Klimas in Österreich bereitzustellen, damit eine sachliche Diskussion am aktuellen Stand der Forschung stattfindet und über wichtige langfristige Maßnahmen entschieden werden kann“, sagte Marc Olefs, Leiter der Klimaforschung an der ZAMG. „Ein wichtiges Ergebnis der Forschung ist, dass mit einem ambitionierten Klimaschutz immer noch möglich ist, die negativen Auswirkungen des Klimawandels zu dämpfen.“

Klimakrise dramatischer als angenommen

Der Weltklimarat der UNO hat einen neuen Zwischenbericht vorgelegt. Demnach schreitet die Klimaerwärmung schneller voran als prognostiziert und manche Entwicklungen sind nicht mehr zu stoppen.

„Sind schon heute betroffen“

„Wir alle sind bereits heute von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen. Mit immer häufiger und intensiver auftretenden Unwetterereignissen bei uns in Österreich, in Europa und weltweit wird klar: Wir müssen jetzt handeln – es braucht engagierte Klimaschutzpolitik“, stellte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) fest, die veröffentlichen Daten und Ergebnisse des IPCC würden deutlich zeigen, dass weiterzumachen wie bisher keine Option sei.

Düstere Vorhersagen aus dem Bericht des Weltklimarats IPCC von 2014 seien heute – nur sieben Jahre später – bereits schreckliche Realität geworden, stellte Katharina Rogenhofer, Sprecherin des Klimavolksbegehrens, fest: „Nahezu täglich neue Wetterextreme, Überschwemmungen, Hitzerekorde und ganze Inseln, die in Flammen stehen: Die Klimakrise passiert hier und jetzt.“ Der neue IPCC-Bericht zeige deutlich, dass Wetterextreme, wie wir sie in den letzten Wochen und Monaten erlebt haben, die neue Normalität darstellen.

Umweltorganisationen appellieren an Politik

Greenpeace forderte die Europäische Kommission in diesem Zusammenhang auf, endlich die notwendigen Mindestmaßnahmen auf EU-Ebene einzuleiten und aus dem „Fit-for-55“-Paket schleunigst ein „Fit-for-65“-Paket zu schnüren. Die Reduktion um 55 Prozent der Treibhausgasemissionen sei viel zu gering angelegt, mindestens 65 Prozent seien zwingend notwendig. Von der österreichischen Bundesregierung forderte Greenpeace, „schleunigst ein umfassendes und ambitioniertes Klimaschutzgesetz sowie eine sozial abgefederte ökosoziale Steuerreform umzusetzen“.

Global 2000 forderte einen „Green Deal“ für Österreich. Dazu gehöre ein Klimaschutzgesetz mit einem wirksamen Sofortmechanismus und einem stufenweisen, rechtlich verbindlichen Ausstieg aus Öl, Gas und Kohle bis spätestens 2040. Weiters brauche es einen Ökobonus für alle Haushalte, der sich aus einer CO2-Bepreisung finanziert. Das Volumen einer ökosozialen Steuerreform solle dabei fünf bis sieben Milliarden Euro betragen.

„Jede zusätzliche Erhitzung vergrößert die Intensität und Häufigkeit von Klimakatastrophen und gefährdet damit das Überleben vieler Menschen und Tierarten. Daher muss die Politik rasch handeln, bevor es zu spät ist“, sagte Lisa Plattner, Expertin für internationale Klimapolitik beim WWF Österreich