Polizeibus mit Hinweis auf Platzverbot
ORF.at/Roland WInkler
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Politik

Amnesty: Lange Liste an Verfehlungen

Unzureichende Sozialleistungen, mangelhafte Ermittlungen gegen Polizeigewalt, ungerechtfertigte Abschiebungen und Pushbacks von Asylsuchenden sowie mangelnden Schutz von Whistleblowern und Probleme mit Diskriminierung: In ihrem Jahresbericht 2021/22 präsentiert die NGO Amnesty International auch für Österreich eine „lange Liste der Menschenrechtsverfehlungen“.

„Die Politik muss endlich erkennen, dass wir nicht die Insel der Seligen sind“, mahnt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich. Viele Probleme würden schon seit Jahren bestehen – es sei jedoch vonseiten der Politik versäumt worden, etwas daran zu ändern. Österreich ist eines von 154 Ländern, die in dem aktuellen Jahresbericht erfasst wurden.

Kritisiert werden etwa unzureichende Sozialleistungen und fehlende Maßnahmen zur Bekämpfung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Das 2021 von sechs Bundesländern umgesetzte Sozialhilfe-Grundgesetz sei nicht ausreichend, um ein Mindestmaß an finanzieller Unterstützung und damit ein menschenwürdiges Leben sicherzustellen.

Ebenso notwendig seien Reformen, um die Rechte der „24-Stunden-Betreuerinnen“ in Österreich besser zu schützen. Speziell Migranten und Migrantinnen würden schlecht bezahlt und übermäßig lange ohne Pause arbeiten und aufgrund von Mehrfachdiskriminierung Schwierigkeiten beim Zugang zu Sozialleistungen haben.

„Unverhältnismäßige Einschränkungen“

Außerdem kritisiert die Organisation „unverhältnismäßige Einschränkungen von friedlichen Versammlungen“. Basierend auf Rechtsgrundlagen zur Bekämpfung der Pandemie wurden einige Versammlungen verboten. In manchen Fällen wurde gerichtlich nachträglich entschieden, dass die Verbote eine unverhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf friedliche Versammlung darstellten.

Amnesty International fordert zudem wirksamere Untersuchungen von Polizeigewalt. Die von der Regierung im Jänner 2020 angekündigte unabhängige Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Untersuchung von Misshandlungsvorwürfen sei bis Ende 2021 noch nicht eingerichtet worden.

Ungerechtfertigte Pushbacks

Weiters seien Abschiebungen und Pushbacks von Asylsuchenden ungerechtfertigt durchgeführt worden. Zwischen Jänner und August 2021 seien etwa 64 afghanische Staatsangehörige nach Afghanistan abgeschoben worden, obwohl ihnen bei ihrer Rückkehr schwere Menschenrechtsverletzungen gedroht hätten.

Das im Juli 2021 beschlossene „Anti-Terrorpaket“ bezeichnet Amnesty International als „menschenrechtlich höchst problematisch“. Zivilgesellschaftliche Organisationen sowie Expertinnen und Experten der Vereinten Nationen hätten Bedenken geäußert, dass der neue Paragraf über „religiös motivierte extremistische Verbindungen“ zu einer Stigmatisierung von Muslimen führen würde.

Amnesty: Reformen lassen auf sich warten

Besorgt zeigte sich Amnesty – gemeinsam mit anderen Organisationen – auch über die Entwicklung im Bereich der Pressefreiheit. Die strafrechtliche Verfolgung von Julian Hessenthaler, der eine Schlüsselrolle bei der Erstellung des „Ibiza-Videos“ gespielt hatte, wurde von ihnen als unverhältnismäßig bezeichnet.

„Die Regierung hat menschenrechtlich wichtige Reformen angekündigt, die bisher jedoch nicht umgesetzt wurden. Wir warten nach wie vor auf konkrete Gesetzesvorschläge für die Schaffung eines Informationsfreiheitsgesetzes, die Abschaffung des Amtsgeheimnisses, eine grundlegende Reform des Maßnahmenvollzuges sowie die Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie“, so Schlack.