Gedenkveranstaltung der Initiative #YesWeCare für die oberšsterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr
APA/Georg Hochmuth
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Tausende gedachten verstorbener Ärztin

Wenige Tage nach dem Suizid der über Monate wüst bedrohten Ärztin Lisa-Maria Kellermayr haben Tausende der Medizinerin gedacht. In Wien kamen am Montagabend zahlreiche Menschen zum Stephansdom, entzündeten Kerzen bzw. ließen ihre Handys aufleuchten. Auch in anderen Städten gab es Zusammenkünfte.

Kellermayr war am Freitag tot in ihrer Praxis in Oberösterreich gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft Wels bestätigte einen Suizid. Die Drohungen und Hassnachrichten von Impfgegnern und CoV-Leugnern gegen sie hatten begonnen, als die Ärztin im November 2021 eine Demo vor dem Klinikum in Wels auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kritisiert hatte.

Am Montagabend fanden in mehreren Städten zahlreiche Menschen zusammen, um ihre Anteilnahme und Betroffenheit auszudrücken. Auf dem Wiener Stephansplatz fand eine Mahnwache mit Lichtermeer mit Tausenden Teilnehmenden statt, organisiert vom Initiator von „#YesWeCare“, Daniel Landau. Auch die Glocken des Doms läuteten. Die Menschen stimmten mehrere Lieder an, darunter das Protestlied „We Shall Overcome“.

Mahnwachen für Ärztin nach Suizid

Weil sich die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr öffentlich für die Impfung gegen das Coronavirus ausgesprochen hat, bekam sie Morddrohungen von Impfgegnern. Monatelang hatte sie Behörden, Ärztekammer und Politik um Hilfe dagegen ersucht. Vor wenigen Tagen hat sie sich das Leben genommen.

Dompfarrer Toni Faber unterstützte die Initiative, ebenso die Österreichische Ärztekammer. Am Wochenende ging laut Präsident Johannes Steinhart eine Verständigung an alle Wiener Ärztinnen und Ärzte mit der Bitte, an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen und so als Ärzteschaft „ein eindrucksvolles Zeichen für Solidarität und gegen Gewalt und Hass“ zu setzen. Auch Wissenschaftler nahmen an der Mahnwache teil, darunter beispielsweise der Molekularbiologe Ulrich Elling – mehr dazu in wien.ORF.at.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und seine Ehefrau Doris Schmidauer legten vor der Praxis von Kellermayr in Seewalchen Blumen nieder, wie ein Foto auf Twitter zeigte. „An vielen Orten im ganzen Land kommen Menschen zusammen, um an Dr. Lisa-Maria Kellermayr zu erinnern. Um gemeinsam ein Zeichen für Zusammenhalt und gegen Hass zu setzen. Ein stiller Moment des Gedenkens heute in Seewalchen. #YesWeCare“, twitterte Van der Bellen am Montagabend.

Gedenken vor Landesgericht

Gedenkveranstaltungen fanden am Montagabend auch in Linz, Steyr, Wels und Graz statt. In Linz kamen laut Polizei knapp 300 Personen in der Innenstadt zur Mahnwache zusammen. Auf dem Taubenmarkt rund um den Brunnen wurden Kerzen aufgestellt und Blumen vor einem Bild Kellermayrs niedergelegt. Nach einer kurzen Ansprache der Veranstalterin blieb die Menge lange in stiller Andacht stehen. In Wels wurde vor dem Landesgericht – und damit auch dem Quartier der Staatsanwaltschaft – gedacht – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Gedenkveranstaltung der Initiative #YesWeCare für die oberšsterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr
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Auch in Linz zündeten die Menschen Kerzen im Gedenken an

200 Menschen gedachten am Grazer Hauptplatz

Auch in Graz haben sich Montagabend rund 200 Menschen vor dem Brunnen am Hauptplatz versammelt. Sehr viele kamen nach einem Aufruf in rosa Kleidung, denn es soll die Lieblingsfarbe von Lisa-Maria Kellermayr gewesen sein. Mitorganisiert hat die Mahnwache Gemeinderat Tristan Ammerer (Grüne): „Zum einen, weil ich tief erschüttert bin von dem Fall, und zum anderen war es die Initiative aus Wien von Daniel Landau, der die erste Mahnwache initiiert hat – da haben wir uns in Graz gedacht, da sollten auch wir was machen" – mehr dazu in steiermark.ORF.at.

Forderung nach Aufarbeitung

Polizei und Staatsanwaltschaft stehen seit dem Suizid in der Kritik, sie hätten zu wenig getan, um die Täter auszuforschen bzw. die Ärztin zu schützen. Der geschäftsführende oberösterreichische SPÖ-Vorsitzende Michael Lindner forderte nun, „rasch Klarheit zu schaffen, ob es vonseiten der Landespolizeidirektion Oberösterreich Versäumnisse gegeben hat. Eine präzise, transparente Aufarbeitung ist das Gebot der Stunde.“ Bestehende Gesetze gegen Hass im Netz würden nicht helfen, „wenn die Bedrohungslage der Betroffenen nicht gesehen und ernst genommen wird“.

Gedenkveranstaltung der Initiative #YesWeCare für die oberšsterreichische Ärztin Lisa-Maria Kellermayr
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Der Platz vor dem Wiener Stephansdom war am Montagabend gefüllt

Eine Obduktion Kellermayrs wurde nicht angeordnet. Es wurden laut Staatsanwaltschaft Abschiedsbriefe gefunden, zu deren Inhalt man nichts sagen wollte. Die „Kronen Zeitung“ hatte am Wochenende von drei Abschiedsbriefen berichtet, einen davon habe die Ärztin an die Landespolizeidirektion Oberösterreich und einen an die Ärztekammer Oberösterreich gerichtet. Von beiden fühlte sich Kellermayr angesichts der schweren Drohungen im Stich gelassen. Die Ärztekammer OÖ gab an, man habe jede Hilfe angeboten, zu der man in der Lage gewesen sei. Die oberösterreichische Polizei wollte zu dem angeblichen Abschiedsbrief nichts sagen.

Wegen der expliziten Drohungen hatte Kellermayr vor einigen Wochen ihre Praxis geschlossen. Nach eigenen Angaben hatte sie selbst rund 100.000 Euro für Schutzmaßnahmen ausgegeben.

Schwierige Strafverfolgung im Ausland

Befinden sich Täter im Ausland und verfassen dort Drohschreiben, ist eine Strafverfolgung in Österreich schwer, berichtete das Ö1-Mittagsjournal. Die Staatsanwaltschaft Wels hatte Ermittlungen gegen einen Deutschen eingestellt. Nun wird geprüft, ob Kellermayrs Suizid etwas an der Zuständigkeit ändert, hieß es heute auf APA-Anfrage.

Eine unter dem Namen „Nella“ auftretende Hacktivistin aus Deutschland machte zwei Deutsche ausfindig, die Droh-E-Mails verfasst haben sollen. Auch eine weitere Spur führte laut Staatsanwaltschaft Wels nach Deutschland. Da das aber bedeuten würde, dass der Tatort nicht in Österreich liegt, mussten die Ermittlungen gegen diese Verdächtigen eingestellt werden. Den österreichischen Strafverfolgungsbehörden sind bei einem solchen Delikt wie der gefährlichen Drohung in grenzüberschreitenden Fällen die Hände gebunden.

Beim Tatbestand der gefährlichen Drohung muss mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr gerechnet werden. Für die Verfolgung in Österreich muss entweder der Täter oder der Tatort in Österreich sein, berichtete Ö1. Während bei einer grenzüberschreitenden Ehrenbeleidigung eine Strafverfolgung in Österreich möglich ist, geht das bei der grenzüberschreitenden gefährlichen Drohung nicht. Hier wäre eine Novellierung überlegenswert, sagte Rechtsanwalt und Verfassungsrichter Michael Rami gegenüber Ö1.

Hilfe im Krisenfall

Berichte über (mögliche) Suizide können bei Personen, die sich in einer Krise befinden, die Situation verschlimmern. Die Psychiatrische Soforthilfe bietet unter 01/313 30 rund um die Uhr Rat und Unterstützung im Krisenfall.

Die österreichweite Telefonseelsorge ist ebenfalls jederzeit unter 142 gratis zu erreichen. Hilfe für Jugendliche und junge Erwachsene bietet auch Rat auf Draht unter der Nummer 147.