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Gesundheit

Studie offenbart Defizite bei Pflege

Österreich hat zwar eine der höchsten Dichten bei Krankenhausbetten in Europa, im Bereich der Pflege gibt es aber durchaus Defizite, wie eine am Mittwoch präsentierte Studie zeigt.

84 Prozent der auf Allgemeinstationen in heimischen Krankenhäusern befragten Personen gaben an, dass sie oder ihr Team in den vergangenen zwei Wochen mindestens eine für die Patientenversorgung notwendige Tätigkeit weglassen mussten. Die Folgen sind nicht nur für die Kranken negativ, sondern auch für deren Betreuerinnen und Betreuer.

Diese Rationierung von Tätigkeiten wird „Missed Nursing Care“ (MNC) genannt und wurde nun erstmals auch in Österreich untersucht. Die über 1.000 Befragten, die für die Studie „MissCare Austria“ der Karl Landsteiner Privatuniversität untersucht wurden, seien repräsentativ für das Pflegepersonal der heimischen Krankenhäuser, so die Forscherinnen Ana Cartaxo und Hanna Mayer.

Verzicht auf emotionale Unterstützung

Mit 67,5 Prozent wird der Studie zufolge am häufigsten auf emotionale Unterstützung verzichtet. Es folgen Gesprächsführung mit Patienten und Patientinnen und deren Angehörigen (60,6 Prozent), Überwachung von kognitiv Beeinträchtigten, Beratung und Schulung zur Entlassung sowie die Mobilisierung der Patientinnen und Patienten (jeweils etwas unter 50 Prozent).

Auch das zeitnahe Reagieren auf die Glocke (39,2 Prozent), das zeitgerechte Verabreichen von Medikamenten (27,6 Prozent) und das Messen von Vitalparametern (26,5 Prozent) bleibt öfter auf der Strecke.

Personalmangel und Zeitnot

Ein Grund für MNC ist laut den Autorinnen Personalmangel: Nur 3,6 Prozent gaben an, in den vergangenen drei Monaten immer angemessen besetzt gewesen zu sein. Auch Zeitnot und Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit führten zu schlechterer Pflege.

Während das Personal unzufrieden ist und zu fast drei Vierteln daran denkt, den Beruf zu verlassen, führe MNC laut internationalen Studien auch zu höheren Sterberaten, betonte Cartaxo. Durch die Defizite bei der Pflege gebe es etwa mehr Infektionen, Stürze, Wundliegen und postoperative Komplikationen.

Was die Personalsituation betrifft, würden laut Elisabeth Potzmann, Präsidentin des Österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegeverbands (ÖGKV), derzeit 7.800 Köpfe fehlen. Das Verhältnis Pfleger zu Patient liegt in Österreich tagsüber bei 1:15 und nachts bei 1:22 – und sei damit deutlich höher als im internationalen Vergleich, führte Cartaxo aus.

„Mehr als bloßes Tun und Machen“

Allein mit mehr Arbeitskräften werde das Problem jedoch nicht gelöst. „Pflege ist mehr als bloßes Tun und Machen, sondern geht über Beziehungen und Kommunikation“, unterstrich Potzmann. Aufgrund der immer komplizierteren Behandlungsmethoden sei mehr Qualität, sprich gehobenes Personal, gefragt. Die Ausbildungsoffensive sei gut und richtig, aber man müsse auch die Qualität stärken. Entsprechend kritisch sieht sie die Pflegelehre.

Ein weiterer möglicher Weg sei es, die Krankenhausbetten in Österreich zu reduzieren, was aber nur dann Sinn habe, wenn es genügend Alternativen, etwa in der Primär- und Nachversorgung, gebe, sagte Mayer. Das erfordere aber eine umfassende Reform des Gesundheitssystems.