Verleihung des 23. Wiener Theaterpreis „Nestroy“
APA/Eva Manhart
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Kultur

Diesjährige Nestroy-Preise verliehen

Am Sonntagabend ist die diesjährige Verleihung der Nestroy-Preise über die Bühne gegangen – und das im wahrsten Sinne des Wortes: Denn nach einer zweijährigen pandemiebedingten Pause feierte man dieses Jahr wieder miteinander.

Mit den Trophäen werden herausragende Bühnenproduktionen sowie Künstlerinnen und Künstler der vergangenen Theatersaison geehrt. Vergangenes Jahr fand die Auszeichnung im Theater an der Wien nur als TV-Event statt. Auch 2020 gab es aufgrund der Coronavirus-Situation nur eine vorab produzierte Sendung. Dieses Jahr fand aber wieder alles live in den Art for Art Dekorationswerkstätten im Wiener Arsenal statt.

Schon zu Beginn der Verleihung sorgte Schauspieler Stefano Bernardin für einen politischen Akzent. Dieser überreichte nämlich den Preis für den besten männlichen Nachwuchs und demonstrierte mit einem T-Shirt für Frauenrechte. Bei der Fußball-WM in Katar dürfte er das nicht, sagte Bernardin, und rief zu einer Iran-Demo am 17. November auf.

In der Kategorie „Nachwuchs männlich“ wurde Schauspieler Felix Kammerer für seine Rolle als Luke in „Moskitos“ von Lucy Kirkwood im Akademietheater mit dem Nachwuchs-Nestroy ausgezeichnet. Die Statue wurde jedoch von der Musikerin und Regisseurin Anna Mabo abgeholt: „Der Felix konnte nicht kommen, er spielt heute leider im Burgtheater. Ich hoffe, er gibt sich Mühe. (…) Vielleicht kommt er aber noch später.“

Süßkow für bessere Probenbedingungen

Die 1990 in Berlin geborene Regisseurin Rieke Süßkow setzte sich mit ihrer für das Schauspielhaus Wien erarbeiteten und im Odeon Theater gezeigten Uraufführungsinszenierung von „Oxytocin Baby“ von Anna Neata in der Kategorie „Bester Nachwuchs weiblich“ durch. Sie sah die Auszeichnung als Erfolg für das gesamte Team und bedankte sich für die Probebedingungen im Schauspielhaus.

Rieke Süßkow mit dem Nestroy-Preis
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Süßkow erhielt den Preis in der Kategorie Nachwuchs weiblich

Der durch Onlinewahl bestimmte Publikumspreis ging an den u. a. aus der TV-Serie „Soko Donau“ bekannten deutschen Schauspieler Stefan Jürgens, der in der vergangenen Saison als Harras in Carl Zuckmayers „Des Teufels General“ bei den Festspielen Reichenau überzeugte. „Bist du deppat“, kommentierte Jürgens den Preis.

Elisabeth Orth für Lebenswerk ausgezeichnet

Den Nestroy für die beste Ausstattung bekamen Peter Baur (Bühne) und Jonas Link (Video) für die Romanadaption „Die Schwerkraft der Verhältnisse“ nach Marianne Fritz im Akademietheater. In der Inszenierung von Bastian Kraft sorgten Scherenschnitteffekte und eine in eine Art Setzkasten gebaute Wohnung für starke visuelle Eindrücke. Mitglieder der Gruppe Nesterval, die den Preis überreichten, riefen dazu auf, das Theater als Ort des Widerstands gegen Gewalt und Unterdrückung zu begreifen.

Die 86-jährige Burgtheater-Doyenne Elisabeth Orth, 2015 bereits mit einem Nestroy in der Kategorie „Beste Schauspielerin“ ausgezeichnet, erhielt den Lebenswerk-Preis, war aber nicht selbst „im Raum anwesend“, wie ihre Laudatorin, Ex-Burgtheater-Direktorin Karin Bergmann, sagte. Orth wurde vom Publikum mit Standing Ovations gefeiert und schloss ihre eingespielte Dankesrede mit den Worten: „Bleiben Sie gesund – und füllen Sie wieder unsere Zuschauerräume, denn keine Krise der Welt darf unsere Theater umbringen!“

Elisabeth Orth mit dem Nestroy-Preis
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Orth erhielt den Preis für ihr Lebenswerk

Grazer „Garland“ ist beste Bundesländeraufführung

„Es war Liebe auf den ersten Blick, es war Liebe auf das erste Wort“, sagte Laudator David Bösch, der Wentz’ „Adern“ im Akademietheater uraufgeführt hatte. Die junge Autorin gab die herzlichen Worte an ihren Regisseur zurück – sie wünsche, dass jedem jungen Autor, jeder jungen Autorin so ein umsichtiger und respektvoller Szeniker begegne.

Der Nestroy-Preis für die beste Nebenrolle ging an Elias Eilinghoff, der in der turbulenten Horvath-Achterbahnfahrt „Karoline und Kasimir – Noli me tangere“ von Kelly Copper und Pavol Liska im Volkstheater Wien brillierte und dabei den Regisseur gibt, der mit seiner geplanten Inszenierung des berühmten Volksstücks großartig scheitert.

Die beste Bundesländeraufführung kam nach Ansicht der Jury aus Graz: Prämiert wurde „Garland“ von Svenja Viola Bungarten, eine schwarze Weltuntergangscomedy, von Anita Vulesica mit viel Witz und Rasanz zur Uraufführung gebracht. „Ich weiß, was alle denken: Wir brauchen was zu trinken“, begann die Regisseurin ihre Dankesrede. Angesichts der Klimakrise gelte es mehr denn je Regeln zu brechen – auch am Theater: „Das ist unser Ansporn, um weiterzumachen!“

Faire Arbeitsbedingungen gefordert

Die beste Off-Produktion lieferte das Herminentheater in Kooperation mit dem Wiener TAG: „Ein bescheidenerer Vorschlag“ von Hannelore Schmid und Thomas Toppler (auch Regie) bot eine wilde Mischung aus burlesken Shakespeare-Szenen und scharfer Politsatire und eine Einführung in das aus Frankreich stammende Bouffon-Theater.

Die Gruppe bedankte sich u. a. bei ihren Crowdfunderinnen und Crowdfundern, die das Projekt erst ermöglicht hatten. Sehr kritische Worte an die Kulturpolitik richtete Grischka Voss als Überreicherin des Preises: Sie mahnte faire Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung für die gesamte Szene ein.

„Humanistää!“ räumte drei Preise ab

Der letzte Teil der Nestroy-Gala gehörte dem Team von „humanistää! – eine abschaffung der sparten“ nach Ernst Jandl, das schon bei der Kritikerumfrage des Fachblatts „Theater heute“ abgeräumt hatte. Die Volkstheater-Produktion wurde als beste deutschsprachige Aufführung prämiert. Claudia Bauer nahm auch den Nestroy-Preis für die beste Regie entgegen, Samouil Stoyanov bekam den Nestroy-Preis als bester Schauspieler.

Beste Schauspielerin wurde Sarah Viktoria Frick für ihre Darstellung der Aloisia in „Adern“ von Wentz. Der Spezialpreis ging an Noam Brusilovskys Projekt „Nicht sehen“, mit dem am Stadttheater Klagenfurt der Fall des Kinderarztes Franz Wurst, der als Primar der heilpädagogischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt jahrzehntelang sexualisierte Gewalt an Kindern ausübte, auf die Bühne gebracht wurde.