Wirtschaft

Arbeitskräftemangel in allen Branchen

Der Fachkräftemangel beschränkt sich längst nicht nur auf einzelne Berufsgruppen, sondern zieht sich mittlerweile durch so gut wie alle Branchen. Aktuell können Zehntausende offene Stellen nicht besetzt werden – von Ärztinnen und Köchen über Programmiererinnen bis zu Kindergärtnern.

Der Trend dürfte angesichts der alternden Gesellschaft anhalten, wie Prognosen der Wirtschaftskammer (WKO) zum Arbeitskräftebedarf nach Branchen und Bundesländern bis 2040 nahelegen. Bis dahin dürfte es gut 59.000 offene Stellen im Bereich der Warenherstellung geben, fast 55.000 unbesetzte Positionen in der öffentlichen Verwaltung, Verteidigung und Sozialversicherung, gut 53.000 fehlende Arbeitskräfte im Handel und bei der Instandhaltung von Kraftfahrzeugen, 28.100 im Gesundheits- und Sozialwesen, fast 27.000 auf dem Bau, etwa 20.000 in der Hotellerie und Gastronomie, knapp 19.000 in freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen, 18.560 in Verkehr und Lager und etwa 10.500 unbesetzte Stellen im Erziehungs- und Unterrichtswesen.

Der zusätzliche Arbeitskräftebedarf zieht sich auch durch alle Bundesländer. „Wenn nicht gegengesteuert wird, dann kostet uns das alle Wohlstand“, sagte der Präsident der WKO, Harald Mahrer (ÖVP), bei einem Pressegespräch am Dienstag. Um dem Fachkräftemangel entgegenzutreten, brauche es den Ausbau der Kinderbetreuung, Anreize für längeres Arbeiten im Alter, qualifizierte Zuwanderung und die Steuerbefreiung von Überstunden. Dafür fordert der WKO-Chef einen „Schulterschluss“ von Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialpartnern.

Plädoyer für klare Zuwanderungsstrategie

Eine klare Zuwanderungsstrategie könnte den Arbeitskräftemangel entschärfen, so Mahrer. In den 1960er und 1970er Jahren habe man bereits gute Erfahrungen mit Gastarbeiterinnen und Gastarbeitern gemacht. Dabei brauche es aber Menschen, die in den Arbeitsmarkt integriert werden können, und nicht Personen, die „auf der Parkbank sitzen und anderen beim Arbeiten zusehen“.

Auch die Industriellenvereinigung (IV) sprach sich am Dienstag für die Entwicklung einer Zuwanderungsstrategie aus: „Es ist an der Zeit, eine Strategie zu entwickeln, wie Österreich für qualifizierte Zuwanderung attraktiv wird“, so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer.

Im internationalen Vergleich eher hintennach

Im internationalen Wettbewerb um gut ausgebildete Fachkräfte ist Österreich schlechter aufgestellt als andere Industrieländer, befindet eine aktuelle Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Im Ranking landete Österreich nur auf Platz 26 von 38 Ländern. Zu diesem Ergebnis trugen etwa die „wenig ausgeprägte“ Willkommenskultur und lange Visavergabeverfahren bei. Positiv schnitt Österreich hingegen bei der guten Lebensqualität ab.

Prognose: Über 500.000 unbesetzte Stellen 2040

Ohne Gegenmaßnahmen könnte es 2040 insgesamt 569.500 offene Stellen geben, 2022 lag die Zahl der offenen Stellen bei 206.500 und war damit bereits auf einem Rekordhoch. Zu diesem Schluss kommen eine Studie der Synthesis Forschung GmbH im Auftrag der Kammer und Analysen des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) zum Arbeitskräfteangebot. Damit würde das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2040 um rund 9,0 Prozent oder fast 50 Mrd. Euro geringer ausfallen als mit ausreichend Arbeitskräften, hielt Mahrer fest.

Auch der Handelsverband beklagte in einer schriftlichen Stellungnahme den „breitflächigen Personalmangel. Allein im Einzelhandel können bundesweit fast 15.000 offene Stellen nicht besetzt werden. Drei Prozent der Handelsbetriebe müssen gegenwärtig sogar einzelne Filialen wegen Mitarbeitermangels geschlossen halten“, so Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will. Er forderte eine Senkung der Abgaben auf Arbeit.