Fachleute analysierten die „problematische Beschäftigungssituation“ bei einem Tourismussymposium der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) in Großarl im Salzburger Pongau. „Die Buchungslage ist sehr gut“, sagte WKÖ-Bundesspartenobmann Robert Seeber. Der Tourismus sei sehr resilient. Die Branche erlebe aber „herausfordernde Zeiten“.
Die Beschäftigungssituation nach der Pandemie bewertete Oliver Fritz vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) zwar als gut. Mehrere Faktoren machen aber auch der Tourismusbranche zu schaffen: Die steigende Tendenz an Teilzeitkräften – der Anteil beträgt bereits 42 Prozent – fehlende Kinderbetreuungsplätze, der Fachkräftemangel sowie der Rückgang an inländischem Arbeitskräftepotenzial und der Rückgang der durchschnittlichen Arbeitszeit.
„Wunsch, weniger zu arbeiten“
„Der Wunsch, weniger zu arbeiten, ist ein starker“, sagte Fritz. Die WKO erwartet bis zum Jahr 2040 eine weitere Lücke zwischen offenen Stellen und der Zahl der Erwerbstätigen. In der Beherbergung und Gastronomie würde es in diesem Zeitraum einen zusätzlichen Bedarf von rund 20.000 Arbeitskräften geben.
Die Maßnahmen gegen die Arbeitskräfteknappheit müssten sich nach der Ursache für den Engpass richten. Gegensteuern könne man durch eine Ausbildungsoffensive, Attraktivierung der Arbeitsbedingungen, Erhöhung des Arbeitskräfteangebots durch Hebung des inländischen Arbeitskräftepotenzials und durch Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, erläuterte Fritz.
WIFO: Potenzial noch nicht ausgeschöpft
Es brauche auch finanzielle Anreize für ein freiwilliges Weiterarbeiten nach dem Pensionsantritt, zudem müsste alles daran gesetzt werden, dass die Menschen tatsächlich zum gesetzlich festgelegten Pensionsalter in den Ruhestand gehen und nicht schon früher, wurde bei dem Gespräch erklärt. Im Tourismus hebe zudem das Bestreben der österreichischen Betriebe nach mehr Qualität statt Quantität in Zukunft den Arbeitskräftebedarf.
Dass Arbeitskräfte in Österreich und in anderen europäischen Ländern knapp geworden sind, führte Fritz auch auf die demografische Entwicklung zurück. Allerdings sei das Arbeitskräftepotenzial im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren noch nicht ausgeschöpft, vor allem bei den Älteren „gibt es noch großes Potenzial“. Hier könnte man noch bis zu 360.000 Beschäftigte zusätzlich finden. Bei den „Nicht-Erwerbspersonen“, zum Beispiel Frauen, die wegen der Kinderbetreuung zu Hause bleiben, mache die stille Reserve plus 84.000 aus. Und bei Teilzeitbeschäftigten mit Wunsch nach längerer Arbeitszeit gebe es ein Potenzial von plus 234.000.
Bei Frauenerwerbsquote „Luft nach oben“
Das Besondere an der Tourismusbranche sei der hohe Anteil an jüngeren Arbeitskräften, die zwischen 20 und 30 Jahre alt sind. Der Anteil an den Über-50-Jährigen liege hingegen in der Gastronomie bei 22 Prozent und im Beherbergungswesen bei 25 bis 26 Prozent. „Hier kann man überlegen, wie man das Potenzial besser ausschöpfen kann“, sagte Fritz. Ab dem Alter von 55 Jahren sinke die Beschäftigungsquote bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehr stark.
Bei der Frauenerwerbsquote ortete der Wirtschaftsexperte ebenfalls noch „Luft nach oben“. Zwar sei die Kinderbetreuungsquote in Österreich gestiegen, bei den Dreijährigen liege die Quote mit 77,9 Prozent im Jahr 2019 allerdings unter dem EU-Durchschnitt von 87,9 Prozent. Viele Kindertagesheime seien nur halbtags geöffnet. Für die Beschäftigten im Tourismus wäre ein Betreuungsangebot am Wochenende und am Abend interessant. „Hier gibt es noch viel Aufholbedarf“, auch was die Betreuungskosten betrifft, die je nach Bundesländer oder Gemeinden sehr unterschiedlich sind.