Leeres Spitalsbett am Gang
ORF
ORF
Gesundheit

Landesweit 2.775 Spitalsbetten gesperrt

Österreichweit sind aktuell 2.775 Spitalsbetten gesperrt und damit weit mehr, als im Wiener AKH zur Verfügung stehen. Das präsentierten die GÖD-Gesundheitsgewerkschaft und younion am Freitag bei einer Pressekonferenz in Wien. Schuld daran seien vor allem die hohe Arbeitsbelastung und der Personalmangel.

Erstmals in Österreich wurden von der Gewerkschaft bundesweite Zahlen zum Pflege- und Ärztemangel erhoben. „Die hohe Arbeitsbelastung und der Mangel an medizinisch pflegerischem Personal hat dazu geführt, dass aktuell weit mehr Betten gesperrt sind, als es im AKH mit 1.732 gibt“, sagte GÖD-Vorsitzender Reinhard Waldhör.

Die Zahlen beziehen sich laut GÖD auf alle länder- und gemeindegeführten Spitäler in Österreich (33.000 Betten). Österreichweit sind damit 8,41 Prozent der Betten gesperrt. Die Zahlen zeigten laut GÖD deutlich, wie hoch die Arbeitsbelastung im Gesundheitssektor mittlerweile sei und verdeutlichten den Engpass an Personal, so Waldhör.

Waldhör: „Koordiniertes Vorgehen muss her“

Verschärft werde die Situation durch knapp 700 offene Stellen bei den Medizinerinnen und Medizinern, hieß es. „Dabei stehen wir erst am Anfang, die Pensionierungswelle der Babyboomer steht gerade erst an", so Waldhör. Man fühle sich vom Bund und den Ländern nicht gehört. Wir brauchen österreichweit ein koordiniertes Vorgehen, die politischen Spielchen müssen aufhören“, hieß es.

„Es ist gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für den Gipfel, denn zurzeit laufen die Verhandlungen zum Finanzausgleich“, ergänzte Edgar Martin, younion-Vorsitzender der Hauptgruppe II. „Der Herr Minister und die Landeshauptfrauen und -männer müssen dabei auch Farbe bekennen: Wollen sie ein funktionierendes Gesundheitswesen oder so Zustände wie in Großbritannien?“, hieß es bei dem Medientermin.

Österreichweit fehlen 2.200 Pflegekräfte

Martin wies auf 2.200 fehlende Pflegekräfte in Österreich hin. Beim Verwaltungspersonal seien 200 Stellen frei. Die Rede war von einem Notstand. „Wir werden die Leistungsdichte, die wir jetzt erbringen, nicht mehr in Zukunft erbringen können“, ergänzte Waldhör.

Es sei unerlässlich, Bund und Ländern die Situation im Gesundheitswesen vor Augen zu führen. „Patientinnen und Patienten müssen auf Behandlungen und Operationen warten, was unweigerlich nicht nur zu verlängertem Leid führt, sondern auch zu höheren Kosten. Für das gesamte Personal bedeutet dies eine noch höhere Arbeitsbelastung und noch weniger Zeit für die individuelle Betreuung der PatientInnen“, kritisierte Katarzyna Resch, ebenfalls younion.

Buchinger: „Verbesserung der Arbeitsbedingungen nötig“

Auch Gerlinde Buchinger von der GÖD-Gesundheitsgewerkschaft mahnte auf dem Podium, dass die Patientenversorgung auf dem bisher gewohnt hohen Niveau nicht mehr sichergestellt werden könne. „Das Personal ist durch den täglichen Arbeitsdruck so schwer belastet, dass auch die Aufgaben der praktischen Ausbildung vor Ort nicht adäquat durchführbar sind. Es braucht daher die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Verringerung des Arbeitsdrucks zeitgleich mit der Vermehrung der Ausbildung“, so Buchinger.

Buchinger verwies auf Mängel bei Praktikumsplätzen im Bereich Pflegeausbildung und eine Aufstockung der Praxisanleiter. Derzeit sieht ein Praktikant den Anleiter nur am Beginn und am Ende seiner Ausbildung. Derzeit gebe bei der Ausbildung im Pflegebereich eine kumulierte Drop-out-Rate von 25 Prozent.

Protestaktion vor Gesundheitsministerium

Am Freitag fand zudem eine Protestaktion der Gewerkschaft vor dem Gesundheitsministerium statt. Das Ministerium erteilte der Forderung nach einem eigenen Spitalsgipfel jedoch noch am Freitagvormittag eine Absage.

Die Lage sei selbstverständlich bekannt. „Gerade deswegen sind Reformen aktuell auch Gegenstand von Verhandlungen im Rahmen des Finanzausgleichs. Daher braucht es aus Sicht des Gesundheitsministeriums keinen Spitalsgipfel“, hieß es auf APA-Anfrage. Man befinde sich ohnehin in laufendem Austausch mit den Ländern.

Ärztekammer übt Kritik an Ruhezeitregelung

Zukünftig soll zudem die wöchentliche Ruhezeit für Spitalsbedienstete von derzeit 36 auf 24 Stunden reduziert werden. Eine entsprechende gesetzliche Änderung soll kommende Woche bei der Konferenz der Landesgesundheitsreferenten im Burgenland mit einem Konsens auf Länderebene initiiert werden. Die Ärztekammer übte am Freitag Kritik.

„Die Bundesländer und ihre Spitalsträger wollen mit diesem billigen und leicht durchschaubaren Trick erreichen, dass jene Lücken in der Gesundheitsversorgung, für die die Politik selbst hauptverantwortlich ist, von jenen geschlossen werden, die ohnehin seit Jahren am Limit sind“, wurde Harald Mayer, Bundeskurienobmann der angestellten Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer, in einer Medienmitteilung zitiert. „Wird die Reduzierung der Ruhezeiten durchgepeitscht, wird das zur Folge haben, dass noch mehr Ärzte aus Österreich vertrieben werden – dann brauchen wir uns über den Ärztemangel nicht wundern“, hieß es aus der Kammer.

Auch Facharztgehälter Thema

Die Situation in den Spitälern wurde am Freitag auch bei der Klausur der Betriebsräte der drei Medizinischen Universitäten (WIGMU 23) diskutiert. Die Facharztgehälter an den Universitätskliniken liegen laut den Vorsitzenden der drei Betriebsräte im österreichweiten Vergleich mit Abstand an letzter Stelle. Ein signifikanter Anteil der benötigten Mehrkosten zur Finanzierung einer gerechten Entlohnung der Universitätsärzte müsse auch über den Finanzausgleich aufgebracht werden, hieß es dazu in einer Aussendung.