Studie warnt vor Ärztemangel bis 2030

Derzeit hat Österreich die höchste Ärztedichte Europas. 2030 könnten allerdings zwischen 2.800 und 7.400 Ärzte fehlen. Das besagt eine im Auftrag von Ärztekammer, Gesundheits- und Wissenschaftsministerium durchgeführte Studie.

Würde die EU die derzeit geltende Quotenregelung für das Medizinstudium kippen, durch die 75 Prozent der Anfängerstudienplätze für österreichische Maturanten reserviert sind, fehlen laut Studie bis 2030 weitere 2.500 Mediziner. Die Differenz zwischen Angebot und Bedarf könnte dadurch auf 5.300 bis 9.900 anwachsen.

Die ursprünglich schon für 2011 angekündigte Ärztebedarfsstudie soll Basis für eine koordinierte österreichweite Planung sein. Für Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ist sie gleichzeitig ein wichtiges Argument gegenüber der EU-Kommission für die Verlängerung des Moratoriums zur Medizinerquote. 2007 hatte die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren für fünf Jahre auf Eis gelegt, mit November würde das Moratorium auslaufen.

Zwischen 2.800 und 7.400 Ärzte fehlen

In der Ärztebedarfsstudie wurden zwei Szenarien berechnet: In einem Fall wurde von einem etwas höheren Pensionsantrittsalter von Medizinern und etwas geringerem Leistungsumfang von Wahlärzten ausgegangen. Folge wäre, dass in den nächsten zwölf Jahren genug Ärzte zur Verfügung stünden, erst danach käme es zu einem Mangel sowohl an Allgemein- als auch Fachärzten. Bis 2030 würden rund 1.100 Allgemeinmediziner und 2.200 Fachärzte fehlen, gleichzeitig wird ein Überangebot von 500 Zahnmedizinern erwartet. Insgesamt gäbe es damit 2.800 Ärzte weniger als benötigt.

Das zweite Modell geht von einem etwas niedrigeren Pensionsantrittsalter und umfangreicheren Leistungen der Wahlärzte aus. Das würde bereits in den kommenden Jahren zu einem Aufklaffen der Lücke zwischen Bedarf und Angebot führen, die stärkste Verschärfung der Situation wird demnach zwischen 2020 und 2025 erwartet. Bis 2030 gäbe es laut dieser Berechnung fast 2.500 Allgemeinmediziner und 5.200 Fachärzte weniger als benötigt, die Zahl der Zahnärzte wäre um rund 240 größer als der Bedarf. Insgesamt würden rund 7.400 Ärzte fehlen.

Unsicherheitsfaktoren

Die Aussagekraft der Studie wird allerdings laut den Autoren durch einige Unsicherheitsfaktoren eingeschränkt: So fehlen Daten zum tatsächlichen Leistungsumfang von Wahlärzten, die die Hälfte der niedergelassenen Ärzte ausmachen. Zusätzlich gibt es keine validen Daten zum tatsächlichen Pensionsantrittsalter von Ärzten sowie zum tatsächlichen Ausmaß der Abwanderung von Medizinabsolventen und Ärzten ins Ausland.

Nicht berücksichtigt wurden bei den Prognosen regionale Problemlagen wie die mangelnde Bereitschaft vieler Ärzte, sich am Land niederzulassen. Außerdem wird in der Studie darauf hingewiesen, dass es auch zwischen den Fachrichtungen große Unterschiede gibt. So fehlen schon jetzt Ärzte in der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Urologie, Gynäkologie und HNO.

Stöger will Beruf attraktiver machen

Um dem drohenden Mangel an Ärzten zu begegnen, setzt Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) auf eine Attraktivierung der postpromotionellen Ausbildung und des Berufs. „Als nächstes Projekt werde ich deshalb eine Verbesserung der praktischen Ausbildung der Allgemeinmediziner umsetzen“, kündigte er an. Durch Personalmanagement und -entwicklung soll außerdem die Suche der Krankenhäuser nach passendem Personal besser gesteuert werden.

Nachdem künftig im einstigen Männerberuf Mediziner 60 Prozent Frauen arbeiten werden, sieht Stöger auch die Neuregelung für Gruppenpraxen als wichtiges Element, um den Arztberuf an neue Lebenskonzepte anzupassen. Auch die geplante Gesundheitsreform soll laut Stöger den Arztberuf attraktiver machen. Mit der Mangelarztverordnung soll dem Mangel in einzelnen Fachrichtungen entgegengewirkt werden.

Töchterle: Keine zusätzlichen Studienplätze

Zusätzliche Medizinstudienplätze soll es hingegen nicht geben, wie Töchterle betonte. Die Ärztebedarfsstudie habe gezeigt, dass genug Mediziner ausgebildet werden. Es müsse dafür gesorgt werden, dass möglichst viele von ihnen auch im Land bleiben.

„Das ist, wie wenn ich in ein Fass mit Löchern Wasser gösse. Ich muss zuerst die Löcher stopfen“, so Töchterle. Dabei seien die Aufnahmeprüfungen ein wichtiges Element, immerhin sei dadurch die Abbruchquote beim Medizinstudium von rund 50 auf zehn Prozent zurückgegangen. Der Minister betonte auch die wichtige Rolle der Quotenregelung, die österreichischen Maturanten 75 Prozent der Medizinstudienplätze garantiert. Immerhin würden laut Befragungen 75 Prozent der ausländischen Medizinstudenten planen, nach dem Abschluss Österreich wieder zu verlassen.

Wechselberger: Ärzte entlasten

Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger sieht durch die Studie die jahrelangen Warnungen der Ärztevertretung bestätigt und fordert u. a. Verbesserungen in der postpromotionellen Ausbildung: Es müsse eine verpflichtende einjährige Lehrpraxis und ein sinnvoller Einsatz von Turnusärzten, die derzeit vor allem als Systemerhalter in den Krankenhäusern genutzt würden, sichergestellt werden. Generell müssten Ärzte von administrativen Tätigkeiten entlastet werden.

Laut Wechselberger braucht es auch Anreize für Fachgebiete, in denen es bereits einen Personalmangel gibt, für die Niederlassung in unterversorgten Regionen und dafür, dass" jemand das finanzielle Risiko auf sich nimmt, eine Praxis zu eröffnen".

Forderung nach Med-Uni für OÖ berechtigt

Für die Befürworter einer zusätzlichen Medizinuniversität in Oberösterreich ist ihre Forderung berechtigt, wie sie unter Berufung auf die Ergebnisse der Studie feststellten. Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), die SPÖ-Gesundheitssprecherin Julia Röper-Kelmayr, FPÖ-Klubobmann Günther Steinkellner und Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser zeigten sich inhaltlich einig - mehr dazu in Forderung nach Linzer Medizinuni untermauert (ooe.ORF.at).

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