Mindestsicherung: Zahl der Bezieher stagniert

Die Zahl der Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher ist im Jahr 2017 erstmals seit der Einführung 2010 so gut wie nicht gestiegen. Insgesamt wurden im Vorjahr 307.853 Personen unterstützt.

Das seien nur 320 Personen mehr als im Jahr 2016, wie die Statistik Austria bekanntgab, und bedeute einen Anstieg von 0,1 Prozent. In den Jahren davor lag das Plus jeweils zwischen 7,5 und elf Prozent.

Eine Grafik zeigt die Anzahl der Mindestsicherungsbezieher im Jahresvergleich

Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Statistik Austria

Betrachtete man die Entwicklung in den einzelnen Bundesländern, so zeigen sich größere Zuwächse in Tirol (plus 5,7 Prozent), Kärnten (plus fünf) und Vorarlberg (plus 4,2). Kleinere Anstiege verzeichnete man in Wien (plus 1,2) und in Oberösterreich (plus 0,2). In den übrigen vier Bundesländern gab es deutliche Rückgänge: In Niederösterreich um 5,8 Prozent, gefolgt von Salzburg (minus 5,4), der Steiermark (minus 3,2) und dem Burgenland (minus zwei Prozent).

Verbesserte Arbeitsmarktsituation

Der Grund für die Stagnation dürfte in der verbesserten Wirtschafts- und Arbeitsmarktsituation zu suchen sein, hieß es unisono seitens der Statistik Austria wie auch aus dem Sozialministerium. Laut der Statistik-Behörde dürfte sich der Trend im Jahr 2018 weiter fortsetzen.

Inklusive der nicht unterstützten Kinder lebten im Jahresverlauf insgesamt 332.236 Personen in 183.239 Bedarfsgemeinschaften mit Mindestsicherungsbezug. Pro Monat waren das durchschnittlich 239.481 Personen in 127.269 Bedarfsgemeinschaften.

Meiste Bezieher in Wien

Der Großteil der Mindestsicherungsbezieherinnen und -bezieher (63 Prozent) lebte in Wien. Auf die übrigen Bundesländer entfielen deutlich kleinere Anteile zwischen einem Prozent (Burgenland) und acht Prozent (Steiermark).

Knapp mehr als die Hälfte der Mindestsicherungsbezieher (im Jahresdurchschnitt 2017) besaß die österreichische Staatsbürgerschaft. Knapp ein Drittel kam aus Drittstaaten, der Rest waren EU- oder EWR-Bürger, Schweizer Staatsangehörige und sonstige Personen. 31 Prozent der Mindestsicherungsbezieher waren Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte.

Der Anteil zwischen Frauen und Männern in der Mindestsicherung hielt sich die Waage (51 gegenüber 49 Prozent). Unter den Betroffenen war der Anteil der Kinder am größten: 35 Prozent der in den von der Mindestsicherung unterstützten Bedarfsgemeinschaften lebenden Personen waren Kinder, gefolgt von Frauen (34 Prozent) und Männern (31 Prozent).

Bezugsdauer mehr als halbes Jahr

Die Bezugsdauer der Mindestsicherung betrug beim Großteil mehr als sechs Monate. Im Jahr 2017 hatten 69 Prozent eine Bezugsdauer von sieben bis zwölf Monaten, 15 Prozent erhielten die Leistung vier bis sechs Monate. Die restlichen 17 Prozent waren maximal drei Monate in der Mindestsicherung. Die durchschnittliche Bezugsdauer lag bei 8,5 Monaten und reichte von 6,4 Monaten in Vorarlberg bis 9,2 Monaten in Wien, so die Statistik.

Ausgaben um 5,8 Prozent gestiegen

Die Ausgaben der Länder und Gemeinden für die Mindestsicherung insgesamt (Lebensunterhalt, Wohnen, Krankenhilfe) ist im Jahr 2017 um 5,8 Prozent (53 Mio. Euro) auf insgesamt 977 Mio. Euro angestiegen (noch ohne Berücksichtigung allfälliger Rückflüsse aus Kostenersätzen). Analog zum Leistungsbezug entfiel auch der Großteil der Ausgaben mit 638 Mio. Euro auf Wien. Der Anteil der Mindestsicherungsausgaben an den Sozialausgaben insgesamt betrug weiterhin weniger als ein Prozent (2016 und 2017: jeweils 0,9 Prozent).

Die monatliche Leistungshöhe pro Bedarfsgemeinschaft lag im Jahresdurchschnitt bei 606 Euro. In Vorarlberg (838 Euro) und Tirol (715 Euro) war die Mindestsicherungsunterstützung für Lebensunterhalt und Wohnen am höchsten.

Hartinger-Klein: Asylberechtigten-Zahl Problem

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) sah dringenden Reformbedarf. Sie verwies darauf, dass nur die Hälfte der Mindestsicherungsbezieher österreichische Staatsbürger sind, „während rund 31 Prozent der Bezieher Asyl- oder subsidiär Schutzberechtigte waren. Dies ist ein Problem, das unser Budget belastet.“

Unter Verweis auf die gestiegenen Ausgaben um 5,8 Prozent sagte Hartinger-Klein: „Dieses Geld sollte den österreichischen Bürgern, die in eine Notlage geraten sind, zur Verfügung stehen“, meinte sie in einer Aussendung. Die Daten würden aber „leider ein anderes Bild“ zeichnen.

Als Sozialministerin werde sie mit der geplanten Reform der Mindestsicherung „endlich für soziale Gerechtigkeit“ sorgen, sprach sie die angepeilten Kürzungen an: „Jene, die unverschuldet in Not geraten sind, sollen auch die Unterstützung erhalten, die sie benötigen.“ Für jene, die nach Österreich einwandern, „in der Hoffnung vom sozialen Auffangnetz gestützt zu werden und noch nie eine Leistung erbracht haben“ werde es „eine entsprechende Kürzung der Mindestsicherung geben“, verwies sie auf die Pläne.

Kritik von SPÖ, NEOS und Liste Pilz

Kritik kam von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher und NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. „Unsozialministerin Hartinger-Klein hat null Glaubwürdigkeit beim Thema Mindestsicherung. Die Ministerin verhöhnt arme Leute und glaubt wahlweise man könne von 150 Euro leben oder arme Menschen müssen nicht ins Kino gehen“, so Lercher. „Die Regierung spielt bei dem Thema mit Emotionen und Ressentiments, während die 20 Mrd. Euro, die jährlich in das marode Pensionssystem zugeschossen werden müssen, kein Thema sind“, sagte Loacker.

Wenig erwartet sich die Liste Pilz von den Reformbestrebungen der blau-schwarzen Regierung: Der Anspruch der Regierung, eine bundeseinheitliche Regelung zu etablieren, scheine an den unterschiedlichen Vorstellungen der Länder zu scheitern, sagte Sozialsprecherin Daniela Holzinger.

Die Soziallandesräte aus Salzburg und Wien, Heinrich Schellhorn (Grüne) und Peter Hacker (SPÖ) luden Hartinger-Klein zu einem Gespräch über die Mindestsicherung ein. Denn bisher sei von Hartinger-Klein „wenig Konkretes“ gekommen, wie sie kritisierten. Hacker verlangte rasche Schritte seitens der Regierung: „Von der Ministerin war bisher außer leeren Worthülsen und ihrer völlig realitätsfremden 150-Euro-Aussage nichts zu hören“, so die Kritik. Schellhorn ortete unter anderem eine Säumigkeit des Bundes beim Thema Spracherwerb der Asylwerber.

NGOs verweisen auf hohen Kinder-Anteil

Die Armutskonferenz und die Volkshilfe verwiesen auf den hohen Anteil der betroffenen Kinder verwiesen. 2017 lebten 81.334 Kinder in Familien mit Mindestsicherung, das waren 35 Prozent aller Bezieher. Ziel müsse sein, „Existenz und Chancen zu sichern, nicht Leute weiter in den Abgrund zu treiben“, so die Armutskonferenz.

Die starke Benachteiligung der Kinder habe negative Auswirkungen auf Zukunftschancen, Bildung und Gesundheit, so das NGO-Netzwerk. Die Armutskonferenz verwies darauf, dass die Bezieherzahlen nicht erst seit Einführung der Mindestsicherung im Jahr 2010 angestiegen sind: „Bereits in der alten Sozialhilfe seit Mitte der 2000-er Jahre haben sich die Betroffenenzahlen stark erhöht“, so die NGO.

Links: