Heimische Haushalte erstmals „atomstromfrei“

Vergangenes Jahr waren die heimischen Haushalte und KMU erstmals „atomstromfrei“ - bis 2015 soll dies bei allen Endkunden der Fall sein, auch bei Industrieabnehmern. Damit sei Österreich in Europa der Vorreiter, sagte Energie-Control-Vorstand Martin Graf am Mittwoch.

2013 seien bereits 93,2 Prozent der in Österreich verbrauchten Elektrizität mit einem Herkunftsnachweis versehen gewesen, nach 92,7 Prozent im Jahr davor. Umgekehrt ist der Graustom-Anteil von 7,3 auf 6,8 Prozent gesunken, den niedrigsten Wert seit 2007. Nur Industriebetriebe würden zum Teil noch mit solchem Strom unbekannter Herkunft beliefert, sagte Graf und erinnerte daran, dass gesetzlich ab dem Jahr 2015 in Österreich überhaupt kein Graustrom mehr an Endkunden abgesetzt werden darf. Nicht einmal ein Drittel des Graustroms - 2,55 (2,59) Prozentpunkte - würde rechnerisch aus AKW stammen, im europäischen ENTSO-E-Mix (ohne Erneuerbare) seien es 37,5 Prozent des Stroms unbekannter Herkunft.

Hoher Anteil an Erneuerbaren Energien

Größtes Asset für die Atomstromfreiheit ist die Wasserkraft - aus echter heimischer Produktion, aber auch durch Wasserkraft-Zertifikate aus Norwegen. Laut Stromkennzeichnungsbericht 2014, den Graf präsentierte, stammten voriges Jahr neben den geringen Mengen Grau- sowie Atomstrom immerhin 78,6 Prozent aus Erneuerbaren Energien und 14,4 Prozent aus fossilen Quellen. Im Erneuerbaren-Teil stellte den Großteil (68,1 Prozentpunkte) die Wasserkraft, 5,34 die Windkraft, 3,7 Prozentpunkte Biomasse; beim Fossil-Strom stammten 9,25 Prozentpunkte - deutlich weniger als 2012 (13,22 Prozentpunkte) - aus Erdgas und rund 5,1 (4,7) Prozentpunkte aus Kohle.

Durch den Vormarsch der Erneuerbaren habe sich auch die Umweltbilanz verbessert, sagte Graf. Die CO2-Emissionen pro verbrauchter Kilowattstunde seien 2013 im Schnitt um 20 Prozent auf 103,33 g zurückgegangen, 2012 waren es noch 129,27 g CO2/kWh. Durch die 2013 beschlossene vollständige Stromkennzeichnungspflicht - Graf: „Strom hat jetzt ein Mascherl“ - müsse ab heuer auch Strom aus Pumpspeicherkraftwerken gekennzeichnet werden, erste Zahlen dafür gebe es aber erst 2015.

Drei Viertel aus Österreich

Knapp drei Viertel (73,1 Prozent) der für die Stromkennzeichnung eingesetzt Nachweise stammen aus Österreich, ein Fünftel (19,6 Prozent) kommt aus Norwegen, danach folgen Schweden (3,8 Prozent), Slowenien (2,5 Prozent) sowie Niederlande, Deutschland, Dänemark, Schweiz. Doppelzählungen würden dabei vermieden, so Graf.

Künftig werde es mehr Länder geben, die den Strom mit einem „Label“ versehen, hofft Graf. Denn schließlich sei die Stromkennzeichnung auch ein Marken-Aspekt. Dies zeige, dass sich die Zahl der Grünstrom-Lieferanten in Österreich im Vorjahr um 25 auf 81 erhöht habe. Auch im Tarifkalkulator der E-Control könne man gezielt nach Strom aus Erneuerbaren Energien suchen.

Vom nächstgelegenen großen Kraftwerk

Es würde weniger als 400.000 Euro kosten, um mit lückenloser Stromkennzeichnung in Österreich auch noch die restlichen 6,8 Prozent Graustrom wegzubekommen, rechnete Graf auf Basis der norwegischen Label-Preise vor. Die liegen bei zehn Cent pro Megawattstunde (MWh), und bei uns geht es noch um etwa 3.700 GWh Graustrom. Alle Zertifikate zusammen kosten in Österreich „einige Millionen Euro, aber deutlich unter zehn Millionen Euro“. Das seien nur 0,2 Prozent des Strompreises und recht wenig angesichts von über drei Milliarden Euro Elektrizitätsumsatz, allein was die Energiekomponente betrifft.

Ob man sich mit der Stromkennzeichnung nicht selbst in den Sack lüge, weil physikalisch gesehen Österreich doch nicht atomstromfrei sei, wird Graf gefragt. Natürlich erfolge die Lieferung der Elektrizität immer getrennt von der vertraglichen Situation - für die Elektronen in den Leitungen gelte das Ohmsche Gesetz, antwortet er. Also dass sich Strom den Weg des geringsten Widerstands sucht und daher in der Regel vom nächstgelegenen großen Kraftwerk kommt.

Stromkennzeichnung vorantreiben

Natürlich gebe es europäische Lastflüsse - die nicht immer kontrollierbar sind -, und es gebe natürlich einen hohen Anteil von Atromstrom im europäischen Netz. Doch würden die Zertifikate nachweisen, dass bestimmte Strommengen tatsächlich auf eine bestimmte Art produziert worden seien, etwa aus Erneuerbaren Energien, so Graf: „Je mehr Länder auf die Kennzeichnung aufspringen, desto mehr Druck gibt es auf Kohle oder andere Energieträger.“ Leider sei die Pflicht zum Nachweis auf der Stromrechnung in der diesbezüglichen EU-Richtlinie recht schwammig formuliert.

In Österreich gibt es mittlerweile nur noch wenige Lieferanten, die die Herkunft ihres Stroms nicht nachweisen - laut Graf außer einigen kleineren Anbietern die Verbund Sales, die Großkunden versorgt, sowie die ÖBB Infrastruktur. 2015 werde aber aller Strom in Österreich auch mit Zertifikaten nachgewiesen werden, erwartet Graf, „und 2016 werden wir sagen können: ‚Österreich ist atomstromfrei‘.“

Anti Atom Komitee: Nichts geändert

Dass der Anteil von Graustrom auf 6,8 Prozent gesunken sei, ist dem Anti Atom Komitee zufolge nur darauf zurückzuführen, dass auch der Zukauf von norwegischen Wasserkraftzertifikaten, die zur Zertifizierung von Graustrom und Atomstrom verwendet werden, weiter gestiegen sei. „Am tatsächlichen Import von Atomstrom oder Graustrom verändert dies kaum etwas, weil sich durch die Zertifizierungspflicht an der Einkaufspolitik der österreichischen Stromhändler nichts ändert“, so Manfred Doppler vom Anti Atom Komitee.

Das Grundübel dieser intransparenten Stromkennzeichnung sei eine EU-Richtlinie, nach der der getrennte Handel von Strom und Zertifikaten erlaubt ist. Daher sei es nach wie vor möglich, Atomstrom zu importieren und an Endkunden zu verkaufen, "dieser ist aber nun mit einem norwegischen Wasserkraftzertifikat versehen, das zur „Reinwaschung" von Atomstrom zugekauft wurde“, so Doppler weiter.

Kritik von Greenpeace und Global 2000

Greenpeace zeigte sich in einer Reaktion auf den Stromkennzeichnungsbericht der E-Control erfreut darüber, dass speziell die kommunalen Versorger dem Wunsch der Bevölkerung nach Atomstromfreiheit nachkämen und Graustrom aus ihrem Angebot verbannen würden. Dem Verbund wirft Greenpeace aber Doppelzüngigkeit vor, den während man Privatkunden mit Wasserkraft versorge, liege der Anteil von Atomstrom bei Industriekunden nach wie vor bei 27,5 Prozent, so eine Aussendung.

Die Umweltorganisation Global 2000 fordert ein „Umdenken in den Führungsetagen der Energiekonzerne“ und einen „Ausstieg aus der Kohleverstromung“, denn der E-Control-Bericht zeige, das „viele Energiekonzerne Wölfe im Schafspelz“ seien. So fehle beim Verbund nach wie vor ein klarer Ausstiegsplan aus der Verstromung von Kohle. Auch die EVN vertreibe zwar über eine Tochter Grünstrom, sei aber auch Co-Betreiber des Kohle-Kraftwerks Dürnrohr. Die Verbrennung von Kohle in Österreich zur Stromerzeugung sei mit Klimaschutz und Energiewende unvereinbar.

FPÖ-Umwelt- und -Energiesprecher Norbert Hofer kritisierte in einer Aussendung, die derzeit implementierten Klimaschutzmechanismen würden zu einer Renaissance der Kohle führen und jene Staaten bevorzugen, die viel Atomstrom produzieren. Der Weg müsse zu verbindlichen Zielen führen, die ausschließlich den Erneuerbaren-Anteil betreffen.

Mitterlehner betont Vorreiterrolle

Wirtschaftsminister ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner, zuständig für Energie, betonte die Vorreiterrolle Österreichs in der EU auch beim Ausbau der Erneuerbaren Energien und bezeichnete den E-Control-Bericht als gutes Zeugnis auch für das Ökostromgesetz. Mit der generellen Strom-Herkunftsnachweis-Pflicht ab 2015 werde ein einheitliches und transparentes Kennzeichnungssystem geschaffen, das den Kunden eine ökologische Stromauswahl ermögliche und Österreichs konsequente Anti-Atom-Linie mit Maßnahmen untermauere, so Mitterlehner in einer Aussendung.

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