209.183 Tiere für Versuche verwendet

Im Vorjahr sind 209.183 Tiere bei Tierversuchen verwendet worden. Das liegt geringfügig über dem Niveau von 2013 (208.559). Forscher der Veterinärmedizinischen Universität Wien verteidigen die Tierversuche als „notwendig.“

Nach einem Höchststand von mehr als 220.000 Versuchstieren im Jahr 2008 sank die Zahl der Tierversuche bis 2012 (184.610) kontinuierlich, stieg aber aufgrund von Änderungen in der Erfassung im neuen Tierversuchsgesetz (TVG) 2012 seither wieder an. Von den 209.000 Versuchstieren 2014 waren 83 Prozent Mäuse (175.000 Tiere). Größere Tiergruppen waren weiters Zebrafische (8.600), Kaninchen (8.200), Ratten (5.700), Schweine (3.600) und Hühner (2.100).

Vier Schweregrade

Das neue TVG sieht vor, dass Tierversuche in vier Schweregrade eingeteilt werden. Als Schweregrad eins stuft das Gesetz sogenannte Terminalversuche ein, die gänzlich unter Vollnarkose durchgeführt werden, aus der das Tier nicht mehr erwacht. 2014 wurden drei Prozent aller Tierversuche (rund 5.000 Tiere) so bewertet.

57 Prozent bzw. rund 120.000 der 2014 durchgeführten Tierversuche wurden mit dem Schweregrad „gering“ eingestuft. Das bedeutet „kurzfristig geringe Schmerzen, Leiden oder Ängste“ oder Versuche ohne wesentliche Beeinträchtigung des Wohlergehens oder des Allgemeinzustands der Tiere. Als Beispiel nannte Regina Binder vom Institut für Tierhaltung und Tierschutz der Veterinärmedizinischen Universität Wien (Vetmeduni) Ohr- oder Schwanzspitzenbiopsien.

Grafik Tierversuche

APA/ORF.at

Bei rund einem Drittel (30 Prozent bzw. 63.000 Tiere) wurde der Schwergrad „mittel“ genannt. Das sind Versuche, die „kurzzeitig mittelstarke Schmerzen, Leiden oder Ängste oder lang anhaltende geringe Schmerzen“ verursachen. Das ist laut Binder etwa bei chirurgischen Eingriffen unter Narkose mit mittelschweren postoperativen Schmerzen der Fall.

Als „schwer“ wurden rund zehn Prozent (21.000 Tiere) der Tierversuche eingestuft, das bedeutet „starke Schmerzen, schwere Leiden oder Ängste oder lang anhaltende mittelstarke Schmerzen, Leiden oder Ängste“. Als Beispiel dafür nannte Binder etwa Xenotransplantationen (Verpflanzungen artfremder Gewebe) und die vollständige Isolierung geselliger Tiere über einen längeren Zeitraum.

„Es gibt keine Alternativmethoden“

„Für medizinische Forschung auf höchstem Niveau sind Tierversuche notwendig“, sagte die Vetmeduni-Rektorin Sonja Hammerschmid. Tiergesundheit sei eines der expliziten Ziele der Vetmeduni - und das bedinge medizinische Forschung für deren Weiterentwicklung, was letztlich auch der Gesundheit der Menschen zugutekomme. „Es gibt - noch, muss man sagen - keine Alternativmethoden, die den lebenden Organismus ersetzen können“, so die Rektorin. Jedes Humanmedikament habe einen Tierversuchshintergrund, „das ist unabdingbar“.

So sieht das auch Veronika Sexl vom Institut für Pharmakologie der Vetmeduni. In der Pharmakologie sei man nach wie vor auf das Tiermodell angewiesen, so die Krebsforscherin. In der Toxikologie, also etwa bei der Untersuchung der Giftigkeit von Substanzen, sei man dagegen bei Alternativmethoden schon einen Schritt weiter. Dort funktionierten die sogenannten 3R-Prinzipien gut, wonach Tierversuche grundsätzlich „vermieden, vermindert und verbessert“ (engl: replace, reduce, refine) werden sollen.

Hammerschmid sagte, dass die Vetmeduni „Tierschutz und Tierwohl auf ihrer Agenda stehen hat“ und auf Prozesse setze, die den 3R-Prinzipien genügen. Zudem führt eine aus Uniangehörigen zusammengesetzte „Ethik- und Tierschutzkommission“ eine interne Vorbegutachtung von Anträgen durch, bevor das vorgeschriebene behördliche Verfahren für die Genehmigung von Tierversuchen angegangen wird.

Lehrstuhl für Ethik in Mensch-Tier-Beziehung

Die Rektorin verwies auch auf den 2011 eingerichteten Lehrstuhl für Ethik in der Mensch-Tier-Beziehung, „der uns helfen soll, ethisch zu reflektieren, was wir in der täglichen Arbeit tun“. Dieser Lehrstuhl bedeute auch, dass bereits Studierende mit Fragen der Ethik konfrontiert werden, so Hammerschmid. Die Studierenden würden zudem im Fach „Labortiermedizin“ unterrichtet, sagte Thomas Rülicke vom Institut für Labortierkunde.

Rülicke versuchte, die Dimensionen zurechtzurücken, und verwies im Vergleich zu den rund 200.000 Versuchstieren, die jährlich in Österreich verwendet werden, auf die rund 80 Millionen Tiere, die hierzulande geschlachtet werden. „Im Laufe eines 80-jährigen Lebens kommen im Schnitt auf jeden Österreicher etwa 1.000 Schlachttiere, aber nur zwei Labortiere“, so Rülicke.

Kriterien für Schaden-Nutzen-Analyse

Herwig Grimm, Professor für Ethik in der Mensch-Tier-Beziehung am Messerli-Institut der Vetmeduni, war für die Erarbeitung des Kriterienkatalogs für die Schaden-Nutzen-Analyse verantwortlich, der nun in Begutachtung geschickt wurde. Klar ist für ihn, dass Tierversuche in der Regel belastend seien und nicht dem beforschten Tier, sondern dem Menschen bzw. anderen Tieren zugutekommen. Dabei müsse der Zweck die Belastung rechtfertigen - und das sei nicht etwas, „das alleine durch die Wissenschaft bewertet wird, sondern zunehmend auch gesellschaftspolitisch“.

Grimm sagte, dass mit den Versuchstieren „schutzbedürftige Wesen für fremde Zwecke gegen ihre mutmaßlichen Interessen belastet und genutzt werden“. Deshalb sei eine Rechtfertigung für Tierversuche, etwa in Form der im TVG vorgeschriebenen Schaden-Nutzen-Analyse, notwendig. Die zentrale Frage dabei sei, „welche Belastungen sind wir bereit in Kauf zu nehmen, um den erwarteten Nutzen zu erreichen“.

Tierversuche, die an Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen durchgeführt werden, müssen von der beim Wissenschaftsministerium eingerichteten Tierversuchskommission des Bundes genehmigt werden, in der Vertreter der zuständigen Ministerien, der Wirtschaft, des Tierschutzes und der Forschung sitzen. Für die Genehmigung aller anderen Tierversuche gibt es neun Länderbehörden. Im Genehmigungsverfahren ist eine Schaden-Nutzen-Analyse durchzuführen, die zu berücksichtigen ist.

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