Geldmünzen auf einem Formular für den Antrag der Mindestsicherung
ORF.at/Carina Kainz
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Wirtschaft

Mehr Anträge auf Mindestsicherung

Das soziale Netz muss in der Coronavirus-Krise außergewöhnliche Belastungen tragen. Bei der Mindestsicherung gehen die Bundesländer von einem markanten Anstieg der Bezieherinnen und Bezieher aus. Die Armutskonferenz verlangt eine Reform des Systems.

„Wir brauchen eine neue Mindestsicherung, die Existenz, Chancen und Teilhabe sichert“, sagte der Sozialexperte Martin Schenk. „Die sozialen Probleme werden größer werden.“ Die derzeit gültige Rechtslage verschärfe Armutslagen und degradiere Betroffene zu Bittstellern, heißt es in einer Aussendung der Armutskonferenz.

Das von der alten ÖVP/FPÖ-Regierung beschlossene Rahmengesetz, das der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Dezember 2019 teilweise aufgehoben hat, eröffnet laut Schenk „neue Hürden und Unsicherheiten, mit denen Menschen in schwierigen Lebenssituationen konfrontiert werden“.

Absicherung bei Wohnkosten und effektive Soforthilfe

Besonders problematisch für Hilfesuchende sei die Deckelung bei den Mietzuschüssen. Eine konkrete Forderung ist daher, dass die tatsächliche Miete plus Energiekosten durch die Mindestsicherung getragen wird. Weiters brauchte es eine effektive Soforthilfe, da teils monatelange Wartezeiten bis zu einer Entscheidung für Menschen in Notlagen nicht zumutbar seien. Per Gesetz sollte eine einmonatige Entscheidungsfrist festgeschrieben werden, die Ämter sollten zudem zur schriftlichen Entscheidung mit Begründung verpflichtet werden. Und: Anträge müssten in einfacher Sprache und mehrsprachig abgefasst sein.

Gleichzeitig müsse die gesetzliche Verankerung der Krankenversicherung kommen, genauso wie eine Neuregelung bei den Unterhaltsverpflichtungen. Denn dass diese häufig gerichtlich geltend gemacht werden müssen, sei mit einem „modernen Sozialstaatsverständnis nicht zu vereinbaren“. Im Falle einer „zielstrebig verfolgten Ausbildung“ sollten darüber hinaus Personen mit maximal Pflichtschulabschluss auch nach 18 noch die Möglichkeit haben, Mindestsicherung zu beziehen.

Erste Anstiege bei Beziehern

In Wien beginnt sich die CoV-Krise bereits in den Mindestsicherungszahlen widerzuspiegeln, hieß es aus dem Büro von Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) gegenüber der APA. Im April gab es einen Anstieg der Bezieherinnen und Bezieher von 2,4 Prozent gegenüber dem Vergleichsmonat 2019. Überdurchschnittlich stark zugenommen hat die Gruppe der „Aufstocker“ – nämlich um elf Prozent gegenüber 2019, wobei sich die Zahlen hier auf den März beziehen.

In vielen Fällen sei das Arbeitslosengeld nämlich so gering, dass den Betroffenen über die Mindestsicherung die Differenz zum Existenzminimum aufgestockt wird. Hacker bekräftigte deshalb die SPÖ-Forderung nach einem Anheben der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld von 55 auf 70 Prozent, um einen Teil der Jobsuchenden das zusätzliche Ansuchen um Mindestsicherung zu ersparen.

In der Steiermark rechnet man „mittelfristig mit einem Anstieg bei den Bezieherinnen und Beziehern von Mindestsicherung, das wird auch bei der Wohnunterstützung der Fall sein“, hieß es aus dem Büro von Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ). Eine Abfrage bei den Bezirkshauptmannschaften und dem Magistrat Graz habe bereits eine verstärkte Nachfrage ergeben.

„Nicht sofort sichtbar“

Noch kein Anstieg war im April in Kärnten zu erkennen. Die endgültigen April-Zahlen liegen noch nicht vor, in der zuständigen Abteilung erwartete man, dass sich ein Anstieg durch die CoV-Krise verzögert zeigen könnte, sagte Gerd Kurath, Leiter des Landespressediensts, auf APA-Anfrage. Von einer Verschärfung der sozialen Lage zeugte aber die Zunahme der Anträge für die vom Land gewährte „Hilfe in besonderen Lebenslagen“ von 137 Anträgen im März auf 318 im April. Es handelt sich dabei um einen einmaligen, zweckgebundene Zuschuss.

Im Bundesland Salzburg rechnet Sozialreferenten LH-Stv. Heinrich Schellhorn (Grüne) mit einem leichten Anstieg bei den Anträgen. Aktuell, von März auf April 2020, habe man noch keine Steigerung zu verzeichnen. Auch in Tirol rechnet man mit einem Anstieg der Anträge in den kommenden Monaten. Bereits in den vergangenen Tagen habe sich bei einigen Bezirkshauptmannschaften und in der Stadt Innsbruck ein deutlicher Anstieg abgezeichnet, berichtete die „Tiroler Tageszeitung“. Soziallandesrätin Gabriele Fischer (Grüne) sagte, die Einschnitte durch die CoV-Krise seien bei Unterstützungssystemen nicht sofort sichtbar, sondern erst mit einer zeitlichen Verzögerung.

In Niederösterreich ist die Zahl der Anträge in den ersten vier Monaten des Jahres im Vergleich zu Jänner bis April 2019 um fast 900 von 5.272 auf 6.163 gestiegen. Es sei jedoch sicherlich noch deutlich zu früh, Rückschlüsse auf CoV zu ziehen, hieß es auf Anfrage im Büro von Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ). Geringfügig stiegen die Zahlen im Burgenland: Vor der CoV-Krise bezogen im Februar 2.361 Personen die Leistungen aus der Mindestsicherung. Im April waren es 2.417 Personen, hieß es aus dem Büro von Soziallandesrat Christian Illedits (SPÖ).