Ärztin mit MRT-Bild
Getty Images/Luis Alvarez
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Gesundheit

Experten fordern bessere Krebsversorgung

Die Menschen werden immer älter, damit steigen die Fallzahlen bei Krebserkrankungen. Laut dem Institut für Höhere Studien in Wien (IHS) ist das nicht nur eine gesundheitliche, sondern auch finanzielle Herausforderung für die Gesundheitsversorgung. Die Krebsversorgung sei unzureichend und müsse sich ändern.

Die steigenden Fallzahlen bei Krebserkrankungen und Kosten neuer Therapien sind eine „große Herausforderung für die Gesundheitsversorgung in Österreich“, sagten Thomas Czypionka und Markus Kraus vom IHS heute bei einer Onlinepressekonferenz.

In Österreich erkranken jährlich immer mehr Menschen an Krebs, so Kraus. Im Jahr 1985 bekamen 29.262 Männer und Frauen eine Diagnose. Im Jahr 2020 waren es 43.014. Grund für die steigenden Zahlen ist die alternde Bevölkerung. „Die Wahrscheinlichkeit, Krebs zu bekommen, steigt nämlich stark mit dem Alter“, sagte Kraus. Die Zahl der Todesfälle ist trotz der vermehrten Erkrankungen konstant geblieben. „Das ist auf Therapiefortschritte zurückzuführen“, erklärte der Experte für Gesundheitsversorgung.

Dadurch würden wiederum die Kosten für das öffentliche Gesundheitssystem wachsen, beispielsweise in den Jahren 2000 bis 2020, so Kraus. Die Zahlen waren doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt: „Die Ausgaben für die onkologische Versorgung für Krebspatienten steigen noch dazu viel stärker als in der allgemeinen Gesundheitsversorgung.“

Neue Krebstherapien beanspruchen Geld

Es gebe dafür Gründe, erklärte Czypionka weiter: „Neue Krebstherapien sind nicht nur wirksamer, sondern zumeist auch teurer“. Es gebe bereits mehrere Therapieoptionen, wenn der Patient nicht auf eine von den Therapien anspricht, können mehrere andere Möglichkeiten hintereinander probiert werden, um sein Leben zu retten. Durch die höheren Überlebensraten seien mehr Nachsorgebehandlungen nötig, die oft über mehrere Jahrzehnte in Anspruch genommen werden müssen.

Es gebe schon neue diagnostische Möglichkeiten zur Früherkennung (wie etwa das Nachweisen von Tumorerbguts mittels „Next Generation Sequencing“). Dadurch werden viele Menschen heilbar, die zuvor nur „palliativ“ (symptomlindernd, ohne die Ursache zu bekämpfen) behandelt werden konnten, erklärt der Experte. „Dies ist ein großer Erfolg, den das Gesundheitssystem zu verbuchen hat“, so Czypionka. Das „extreme Anwachsen der abgerufenen Leistungen“ sei nicht nur finanziell für das Gesundheitssystem eine große Belastung, sondern stelle auch das Personal vor große Herausforderungen, sagte er: „Wir müssen die Versorgung daher dringendst anpassen.“

Lösungsvorschläge für neue Gesundheitsversorgung

Für eine effektivere Gesundheitsversorgung haben die Experten Lösungen: verstärkte Zentrenbildung, zielgerichtete Therapien, besondere Bestrahlungen, komplexe chirurgische Techniken und „Next Generation Sequencing“ für Diagnosen könne man nicht an jedem Krankenhaus etablieren. Die genaue Diagnose und Erstbehandlung sollten demnach in spezialisierten Zentren durchgeführt werden. „Dadurch wird die Behandlung sicherer und kosteneffizienter“, erklärte Czypionka.

Anschließend sei eine „abgestufte Versorgung“ nötig, wo man für jeden einzelnen Patienten je nach Tumortyp entscheidet, wo er behandelt werden kann. Das wäre teils zu Hause möglich, beim Hausarzt, der Hausärztin oder im lokalen Krankenhaus. „Dazu bräuchte es Änderungen im Gesundheitssystem, zum Beispiel, damit der Hausarzt über E-Medizin Fachärzte kontaktieren kann, und spezialisierte Pflegekräfte wie Cancer-Nurses (Anm.: Krebs-Pflegefachkräfte)“. Außerdem plädierte er für eine „verstärkte Ambulantierung“.

Auch vermehrtes E-Health (elektronisches Gesundheitswesen) sei vonnöten. Das wäre auf vielen Stufen möglich, meinte Czypionka: „Zum Beispiel vom Allgemeinmediziner zum Facharzt, bei E-Tumorkonferenzen, wo Fachärzte Befunde besprechen und Behandlungsschritte planen, sowie Onlineselbsthilfe unter den Patienten“. Dadurch würden die Behandlungslasten verringert werden, weil Patientinnen und Patienten etwa weniger Zeit in Warteräumen verbringen und sich Anfahrtswege sparen würden, und in Krankenhäusern könnte man dadurch freie Kapazitäten schaffen.

Es sei wichtig, die medizinischen Zentren auszubauen, die Krebsversorgung besser abstufen, elektronische Gesundheitsangebote zu verstärken und Behandlungen vermehrt in Ambulatorien durchzuführen, um sie besser zu bewältigen, so die Experten des IHS.