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ORF.at/Christian Öser
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Wirtschaft

Kopf: Tourismus braucht Arbeitskräfte aus Ausland

Der Tourismus ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Das sagt der Chef des Arbeitsmarktservices (AMS) Johannes Kopf. 44 Prozent der in diesem Sektor Beschäftigten habe eine österreichische Staatsbürgerschaft. Vor 15 Jahren seien es noch zwei Drittel gewesen.

Im Zeitablauf ist der Anteil beschäftigter Österreicherinnen und Österreicher also deutlich gesunken. Im Jahr 2008 betrug ihr Anteil an allen in Beherbergung und Gastronomie Beschäftigten laut AMS knapp zwei Drittel (65,7 Prozent), fünf Jahre später 57,3 Prozent und im Jahr 2018 knapp die Hälfte (49,5 Prozent).

Jeder Zehnte aus Ungarn

Zu den nun 44 Prozent der im heimischen Tourismus-Beschäftigten mit österreichischem Pass kommen laut AMS weitere 17 Prozent aus Drittstaaten, elf Prozent aus Ungarn, fünf Prozent aus der Deutschland, jeweils vier Prozent aus Rumänien und der Slowakei sowie jeweils drei Prozent aus Kroatien und der Türkei.

Dazu kommen weitere fünf bzw. vier Prozent aus anderen EU-Beitrittsländern des Jahres 2004 sowie anderen Staaten der alten EU-15 samt EWR. Gut 40 Prozent der insgesamt 58.647 Beschäftigten aus den EU-Beitrittsländern seit 2004 stammen aus Ungarn. Weitere 14 Prozent kommen aus Rumänien, 13 Prozent aus der Slowakei und 11 Prozent aus Kroatien.

Schwankungen bei offenen Stellen

Verglichen mit den Stellenmeldungen aller Branchen zeigen sich sowohl in der Gastronomie als auch in der Beherbergung größere Schwankungen, zuletzt mit hohen Anstiegen. In der Sommersaison 2022 gab es im Durchschnitt 16.364 offene Stellen. Dies sind um 68,8 Prozent mehr als in der letzten Sommersaison vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie (Sommersaison 2019: 9.694).

In der Wintersaison 2022/23 lag die Zahl gemeldeter offener Stellen mit durchschnittlich 11.425 um 41,7 Prozent über der letzten Wintersaison vor der Krise (Wintersaison 2018/19: 8.062). Der Anstieg der offenen Stellen war zuletzt (Wintersaison 2022/23 und Sommersaison 2022) in Kärnten, Salzburg, der Steiermark, Tirol und Wien besonders groß.

Steigende Beschäftigungszahlen

Die Sommersaison 2022 (Mai bis Oktober 2022) sorgte im Vergleich zur Sommersaison des Jahres davor für 7,4 Prozent mehr Beschäftigung und 18,1 Prozent geringere Arbeitslosigkeit, zeigte die AMS-Auswertung. In der Wintersaison 2022/23 (November 2022 bis April 2023) stieg die Beschäftigung verglichen mit der vorherigen Wintersaison ebenfalls um 7,4 Prozent, die Arbeitslosigkeit sank jedoch nur mehr um 6,6 Prozent.

In allen Monaten der Sommersaison 2022 und der Wintersaison 2022/23 lag die Zahl der unselbstständig Aktiv-Beschäftigten über jener der betreffenden Vorsaisonen, wobei die Unterschiede zwischen den Vergleichsmonaten im Laufe der Saisonen jeweils kontinuierlich kleiner wurden.

Dasselbe Muster zeigte sich auch bei der Arbeitslosigkeit, wobei durch die Konjunkturabschwächung zum jeweiligen Saisonende (Oktober: plus 0,6 Prozent bzw. März: plus 2,6 Prozent und April: plus 5,9 Prozent) die Arbeitslosigkeit sogar (geringfügig) höher war als in den jeweiligen Vorsaisonen.

Kontingent für Saisonniers aufgestockt

Um den Arbeitskräftemangel im Tourismus abzuschwächen, vergrößerte das Wirtschaftsministerium das Kontingent für Saisonarbeiterinnen und -arbeiter von außerhalb der EU. „Wir werden das sogenannte Saisonkontingent um weitere 1.000 Plätze aufstocken“, sagte Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) am Freitag an. 898 Stellen davon seien für den Tourismus vorgesehen, 102 für die Landwirtschaft.

Insgesamt gibt es in Österreich dann Platz für knapp 7.500 Saisonniers – 4.287 im Tourismus, 3.160 in der Landwirtschaft. Es sei trotz dieser Maßnahme immer noch schwierig, ausreichend Arbeitskräfte zu finden. Die Saisonkontingente seien in den vergangenen Jahren aufgrund des Arbeitskräftemangels kontinuierlich erhöht worden.

„Für die Branche ist die Anhebung des Saisonkontingents ganz wichtig – neben der Teuerung stellt der Mitarbeiterbedarf im Moment die größte Herausforderung dar“, sagte Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP). In den vergangenen zwölf Monaten habe es bereits drei Anhebungen gegeben.

Mehr Rot-Weiß-Rot-Karten

Es sei wichtig, in diesem Bereich Maßnahmen zu setzen, bekräftigte Kocher. Es seien bereits Erleichterungen vorgenommen und auch die Rot-Weiß-Rot-Karte, die den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte regelt, im Herbst reformiert worden. Wer hierzulande mindestens zwei Jahre lang als Stammsaisonnier gearbeitet habe, könne eine Rot-Weiß-Rot-Karte beantragen und damit „ganzjährig in Österreich arbeiten“, also eine dauerhafte Arbeitsgenehmigung erlangen.

Es habe auch Lockerungen bei der Punktevergabe gegeben, um Mangelberufe wie Köchinnen und Köche leichter ins Land holen zu können. Auch beim erforderlichen Sprachniveau habe es Erleichterungen gegeben. Weiters hätten Ukrainerinnen und Ukrainer inzwischen „vollen Zugang zum Arbeitsmarkt“. Das Ausländerbeschäftigungsgesetz wurde entsprechend geändert – aus der Ukraine Vertriebene können nun ohne Beschäftigungsbewilligung am österreichischen Arbeitsmarkt arbeiten. Davon profitiere auch der Tourismus.

„Wir sehen insgesamt fast 50 Prozent Zuwachs bei den Bewilligungen seit Oktober“, sagte Kocher. Vor der Reform seien 5,6 Prozent der Rot-Weiß-Rot-Karten auf den Tourismus entfallen, mittlerweile sei dieser Anteil auf 10 Prozent gestiegen. „Also man sieht, dass das genutzt wird“, hielt Kocher fest.

Angesichts der Tausenden offenen Stellen mutet die Rot-Weiß-Rot-Karte derzeit noch wie ein Tropfen auf den heißen Stein an. 2022 wurden im Tourismus laut Kraus-Winkler 348 Rot-Weiß-Rot-Karten ausgestellt, nach 101 im Jahr davor. „Zwischen Jänner und April heuer haben wir schon 244 Karten, das heißt, man sieht, dass sich der Tourismus mit der Rot-Weiß-Rot-Karte auseinandersetzt, sie annimmt“, so die Staatssekretärin.

Lob und Kritik

Gänzlich anders sieht das die Gewerkschaft vida: „Die Regierung macht sich damit zum Komplizen der Lohndrücker in der Wirtschaft. Anstatt die Arbeitsbedingungen zu verbessern, können Arbeitgeber weiter munter auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückgreifen, wo das Lohnniveau deutlich niedriger ist als in Österreich“, kritisierte vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. Die Oppositionsparteien SPÖ und NEOS sehen das genauso.

Begeistert auf die Aufstockung des Saisonkontingents reagierte hingegen die Wirtschaft. Damit setze die Regierung „einen wichtigen Schritt gegen den Arbeitskräftemangel“, sagte der Generalsekretär der Wirtschaftskammer (WKÖ), Karlheinz Kopf. Die Aufstockung des Saisonnierkontingents im Tourismus sei „entscheidend für den Erhalt der Angebotsqualität im österreichischen Qualitätstourismus“, sagte der Präsident der Hoteliervereinigung (ÖHV) Walter Veit.