Soziales

Behindertenrechte: Umsetzung mit Lücken

Österreich hat bei der Umsetzung der UNO-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) noch einige Arbeit vor sich. Das war ein Fazit nach einer Pressekonferenz am Dienstag in Wien. Es gebe in mehrerlei Hinsicht Verbesserungspotenzial.

Die Umsetzung der Konvention in Österreich wird von 21. bis 23. August vom UNO-Fachausschuss in Genf (Schweiz) geprüft. Möglichkeiten einer besseren Umsetzung sieht der zuständige Monitoringausschuss etwa in den Bereichen Inklusive Bildung, Frauen mit Behinderungen und Persönliche Assistenz.

Die Konvention ist in Österreich seit 2008 in Kraft, 2013 fand die erste Prüfung statt, heuer folgt die zweite. Davor verfassen der Staat, der Monitoringausschuss, Volks- und Behindertenanwaltschaft sowie Akteurinnen und Akteure der Zivilgesellschaft Berichte, erklärte Tobias Buchner vom Vorsitzteam des Ausschusses.

Bindend – aber ohne Sanktionen

Anschließend erhält Österreich Handlungsempfehlungen, die „großen Einfluss auf die Behindertenpolitik in den nächsten Jahren“ haben werden, so Buchner. Diese seien „politisch bindend“. Bei Nichtumsetzung gäbe es für Österreich neben negativer Aufmerksamkeit auf internationaler Ebene aber keine Konsequenzen, sagte Volker Schönwiese von der Organisation „Selbstbestimmt Leben“.

Konzentriert habe man sich auf die Bereiche Inklusive Bildung, Frauen mit Behinderungen und Persönliche Assistenz, führte Daniela Rammel vom Vorsitzteam des Monitoringausschusses aus. Säumig sei der Staat bei der Umsetzung eines inklusiven Bildungssystems, kritisiert sie etwa dessen „Unterfinanzierung“.

Persönliche Assistenz gebe es zwar in jedem Bundesland, diese sei allerdings nicht bundesweit einheitlich geregelt sowie nicht bedarfsgerecht. Frauen und Mädchen mit Behinderungen seien „in besonders hohem Maß einem Gewaltrisiko ausgesetzt“. Rammel forderte die verpflichtende Implementierung von Gewaltschutzkonzepten für Behinderteneinrichtungen und eine umfassende Barrierefreiheit im Opfer- und Gewaltschutz.

„Gedanken der 70er Jahre“

Volksanwalt Bernhard Achitz erhofft sich einen „Impuls bei den Bemühungen, die Umsetzung und Einhaltung der Behindertenrechtskonvention voranzutreiben“. Oft würden die Volksanwaltschaft Beschwerden erreichen, dass diese nicht optimal umgesetzt sei, hob er etwa fehlende Barrierefreiheit auf Bahnhöfen hervor. Auch kritisierte er, dass Menschen in Behindertenwerkstätten Taschengeld statt Lohn erhalten sowie den immer noch vorherrschenden „Gedanken der 70er Jahre“, Menschen mit Behinderung in einer Einrichtung unterzubringen, um sich dort um sie zu kümmern.

Es habe keine strukturierte Übersetzung der UNO-Konvention in nationales Recht stattgefunden, steht für Behindertenanwältin Christine Steger fest. Vielfach sei der Bereich Menschen mit Behinderungen Angelegenheit der Länder. In vielen Ländergesetzen hätten Aspekte aus den Konventionszielen Eingang gefunden, aber auch hier „in den wenigsten Bereichen auf fundierte und strukturierte Art und Weise“. In den Bundesländern gebe es teils sehr unterschiedliche Standards.

Mangel an Koordination

Zu den größten Problemen in der österreichischen Behindertenpolitik zählen der Mangel an Koordination zwischen Bund und Bundesländern, das Fehlen eines inklusiven Bildungssystems und von österreichweit einheitlichen verpflichtenden Barrierefreiheitsstandards, hieß es seitens des Behindertenrats. Präsidiumsmitglied Martin Ladstätter warf dem Staat bei der Pressekonferenz denn auch vor, die Sachlage geschönt darzustellen.

Die Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs will indes bundesweit einheitliche Regelungen für den Anspruch auf Persönliche Assistenz. Im Besonderen forderte die WAG Assistenzgenossenschaft einheitliche Regeln für diese.

„Unterstützungen wie etwa persönliche Assistenz gibt es nicht, weil die Länder und Gemeinden in Österreich sich für die Umsetzung der UN-BRK nicht primär in der Pflicht sehen und die Verantwortung auf den Bund schieben“, kritisierte Martin Marlovits vom Erwachsenenschutzverein „VertretungsNetz“. Über den eigenen Wohnort könne man nicht entscheiden, wenn barrierefreier Wohnraum sowie die nötigen Pflege- und Betreuungsdienste nicht zur Verfügung stünden.