Parkplatz neben einem Acker
APA/Helmut Fohringer
APA/Helmut Fohringer
Umwelt

Größere Städte zunehmend versiegelt

Österreich leidet derzeit unter der dritten Hitzewelle im heurigen Sommer. Städte sind durch den hohen Versiegelungsgrad noch härter getroffen. Eine am Freitag präsentierte WWF-Analyse zeigt, dass die größten Städte des Landes zunehmend versiegelt – also mit einer wasserundurchlässigen Schicht überzogen – werden. Spitzenreiter ist Linz.

Beim WWF fordert man Grünraumoffensiven und Entsiegelungsprogramme. Stark versiegelte Flächen würden sich besonders intensiv aufheizen. Die Analyse der Umweltschutzorganisation zeigt, dass die fünf größten Städte Österreichs trotz eines hohen Versiegelungsgrades weiterhin verschwenderisch mit wertvollem Boden umgehen.

„Mit einer versiegelten Fläche von 116 Quadratmetern pro Kopf ist Linz trauriger Spitzenreiter unter den fünf größten Städten Österreichs“, sagte WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories. Auf Platz zwei liegt die Stadt Salzburg mit insgesamt 102 Quadratmetern Versiegelung pro Kopf, gefolgt von Graz (88 Quadratmeter), Innsbruck (76 Quadratmeter) und Wien (55 Quadratmeter). „Österreichs Großstädte versinken in Beton und Asphalt. Gerade in Zeiten der Klimakrise muss die Politik rasch gegensteuern“, forderte Pories.

Versiegelter Boden lässt Hitzeinseln entstehen

Während Flächeninanspruchnahme (Bodenverbrauch) laut der Definition des Umweltbundesamtes auch weitere siedlungsbezogene Nutzungsarten (z. B. Sportplätze) umfasst, zählt eine Fläche nur dann als versiegelt, wenn sie mit einer wasser- und luftundurchlässigen Schicht abgedeckt ist. Die Analyse des WWF bezieht sich auf die Versiegelung, da diese besonders im urbanen Bereich schwerwiegende Folgen hat. Denn durch die Bodenversiegelung gehen sämtliche biologische Funktionen verloren.

Außerdem kann versiegelter Boden nicht mehr zur Abkühlung beitragen, sondern lässt Hitzeinseln entstehen. Gerade im städtischen Bereich kann das sogar tödliche Folgen haben. „Aufgrund der höheren Bevölkerungsdichte haben Städte zwar pro Kopf einen geringeren Bodenverbrauch als ländliche Gegenden – dafür ist der Versiegelungsgrad deutlich höher. Das wird uns nicht nur während Hitzewellen, sondern auch bei Starkregen zum Verhängnis, weil Wasser dort nicht mehr versickern kann“, warnte Pories.

Innsbruck mit größtem Anstieg

Bezogen auf die vergangenen zehn Jahre hatte Innsbruck den verhältnismäßig größten Anstieg der versiegelten Fläche – um 12,5 Prozent. Das entspricht einer Fläche von 112 Hektar. Platz zwei belegt Salzburg (plus 6,9 Prozent), gefolgt von Graz (plus 5,3 Prozent), Linz (plus 3,54 Prozent) und Wien (plus 3,46 Prozent).

In absoluten Zahlen wurde im vergangenen Jahrzehnt in der Bundeshauptstadt mit 368 Hektar die größte Fläche neu versiegelt. Betrachtet man den Versiegelungsgrad, also den Anteil der versiegelten Fläche an der Gesamtfläche, liegt ebenfalls Wien mit einem Anteil von 26,5 Prozent vorne. Auf den weiteren Plätzen: Linz (25,4 Prozent), Salzburg (24,3 Prozent), Graz (20,5 Prozent) und Innsbruck (9,6 Prozent).

2.400 Quadratkilometer komplett versiegelt

In Österreich ist mittlerweile eine Fläche von mehr als 2.400 Quadratkilometern komplett versiegelt – das entspricht fast der gesamten Fläche von Vorarlberg. Fast die Hälfte davon besteht aus Straßen und Parkplätzen. „Überbreite Straßen und ebenerdige Parkplätze, etwa in Gewerbeparks oder im öffentlichen Raum, sollten schrittweise rückgebaut und entsiegelt werden.“

„Darüber hinaus muss die Politik im Bund und in den Ländern die systematische Wiederherstellung zerstörter Lebensräume ankurbeln, wie es die EU-Biodiversitätsstrategie 2030 und das geplante EU-Renaturierungsgesetz vorsehen“, forderte Pories.

Bodenverbrauch vs. Bodenversiegelung

Für die Analyse hat der WWF offizielle Daten des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen ausgewertet. Die Methodik entspricht dabei jener, die das Umweltbundesamt für die bis 2021 jährlich veröffentlichte Berechnung der Bodenverbrauchsstatistik angewandt hat.

Dabei ist zwischen Bodenverbrauch (Verlust biologisch produktiver Böden durch Verbauung oder intensive Nutzung) und Bodenversiegelung (Überziehen mit einer wasserundurchlässigen Schicht) zu unterscheiden. Im Jahr 2022 wurde deutlich mehr als die Hälfte (55 Prozent) der verbrauchten Böden auch versiegelt. In Städten ist dieser Anteil teils deutlich höher.

Stadt Linz kontert Vorwurf

Die Stadt Linz wehrte sich in einer Stellungnahme Freitagnachmittag gegen den Vorwurf, „Spitzenreiter bei den versiegelten Flächen im Pro-Kopf-Vergleich“ zu sein. Sie bezog sich auf den Vergleich der Zunahme der Versiegelung in den letzten zehn Jahren, wo sie laut WWF an vorletzter Stelle liegt. Planungsstadtrat Dietmar Prammer (SPÖ) räumte ein, dass Linz mit seiner Industrie einen historisch größeren Flächenverbrauch habe.

Zudem verwies er auf den hohen Grünanteil. Mehr als die Hälfte des Stadtgebiets seien Grünland, fast ein Fünftel bewaldet. „Damit gehört Linz zu den grünsten Landeshauptstädten Österreichs.“ Wegen der Wirkung auf das Stadtklima sowie der Nutzung als Erholungsbereiche gehe die Stadt mit den Flächen in ihrem Eigentum besonders sorgsam um.

NEOS- und SPÖ-Kritik an Regierung

NEOS nutzte die WWF-Analyse am Freitag für Regierungskritik. „Anstatt den ungezügelten Flächenfraß endlich einzudämmen, schauen ÖVP und Grüne weiter tatenlos zu, wie Österreich zu einer täglich größer werdenden Betonwüste wird“, kritisierte NEOS-Klimasprecher Michael Bernhard in einer Aussendung.

NEOS fordert, über den Finanzausgleich bei Ländern und Gemeinden Druck aufzubauen. „Das Motto muss lauten: Kein Zaster bei zu viel Pflaster! Wenn sich Länder und Gemeinden nicht an die Vorgaben halten und zu viel Boden versiegeln, fließt über den Finanzausgleich auch spürbar weniger Geld an die jeweiligen Gebietskörperschaften“, regte Bernhard an.

Auch die SPÖ äußerte ihren Unmut an der Regierungsarbeit. „Die Regierung muss ihre Blockade in dem Bereich beenden und den Kampf gegen den Bodenverbrauch endlich ernstnehmen“, sagte Umweltsprecherin Julia Herr in einer Aussendung. Sie forderte eine Leerstandsabgabe, damit bereits vorhandener Wohnraum besser genutzt werde, und einen Spekulationsstopp mit Wohnraum. „Es braucht eine Reform der Grundsteuer, ein Vorkaufsrecht der Gemeinden für Grund und Boden sowie eine eigene Widmungskategorie für den sozialen Wohnbau, wie Wien dies bereits vorzeigt“, sagte Herr.