Chronik

Leitfaden für Gewaltschutz für Hausärzte

Jede dritte Frau hat schon einmal körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt. Um niederschwellige Hilfe anzubieten, wurde jetzt ein Leitfaden für Hausärztinnen und -ärzte erstellt, die oft wichtige Ansprechpartner für Betroffene sind.

Durch die oft langjährige Beziehung zwischen Ärztin bzw. Arzt und Patientinnen und Patienten besteht eine besonders gute Chance, Hinweise auf Gewalterfahrungen zu erkennen. Gleichzeitig gibt es im niedergelassenen Bereich besondere Herausforderungen bei der Versorgung von gewaltbetroffenen Personen. Um die Mediziner dabei zu unterstützen, wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums unter Projektleitung der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) ein Leitfaden für den niedergelassenen Bereich entwickelt.

An der im Rahmen des Projekts „Gewaltschutz im Gesundheitswesen“ eigens dafür eingerichteten Arbeitsgruppe aus Expertinnen und Experten des Fachbeirats beteiligten sich auch Vertreter der Bundeskurie niedergelassene Ärzte (Österreichische Ärztekammer), des Österreichischen Dachverbands der Opferschutzgruppen im Gesundheits- und Sozialbereich, der Österreichischen Gesellschaft für Kinderschutz-Medizin sowie der Österreichischen Gesundheitskasse.

„Erkennen, ansprechen, dokumentieren, vermitteln“

Der zweiseitige Leitfaden „Häusliche Gewalt: Erkennen, ansprechen, dokumentieren und weitervermitteln“ führt durch die notwendigen Versorgungsschritte in der Praxis und zeigt auf, an welchen Punkten an ein Krankenhaus oder eine andere Institution weitervermittelt werden soll.

Der Ratgeber schildert etwa, wann in Österreich Anzeigepflicht nach dem Gewaltschutzgesetz 2019 besteht – etwa nach einer Vergewaltigung. Der Leitfaden, der in neun Bundesländer-Varianten mit unterschiedlichen Kontaktdaten erscheint, soll aber keine Schulungen ersetzen, er soll lediglich als Gedächtnis- und Entscheidungshilfe dienen.

Häufig erste Anlaufstelle

Der Gesundheitsbereich spielt bei der Gewaltbekämpfung eine wesentliche Rolle, denn häufig ist er der erste Anlaufstelle für Betroffene, die sich bis zu diesem Zeitpunkt noch niemandem anvertraut haben. Aus Studien wisse man, dass die wenigsten Opfer den sofortigen Weg zur Polizei oder in eine Gewaltschutzeinrichtung finden, jedoch im Gesundheitsbereich vorstellig werden: „Entweder aufgrund einer akuten Verletzung nach einem Vorfall oder auch einfach aufgrund von komplexen Folgeerscheinungen“, sagte Michaela Pichler von der GÖG am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal.

Ärztinnen und Ärzte würden oft gut erkennen, wenn etwas nicht stimmt, „weil durch die oft jahrelangen Beziehungen mit Patientinnen und Patienten auch sehr komplexe Folgeerscheiungen erkannt werden können – wie Wesensveränderungen oder psychosomatische Beschwerden“, so Pichler. Zu erkennen, wenn jemand von Gewalt betroffen ist, sei enorm wichtig, sagte Claudia Westreicher von der Ärztekammer.

Wenn sichergestellt wird, dass die richtigen Fragen gestellt und die Opfer an die richtigen Stellen überwiesen werden, kann dies dazu beitragen, die Gewaltspirale zu durchbrechen und Betroffene aus ihrer Isolation zu befreien.