Frau und Mann halten Babyschuhe
Getty Images/Yakobchukolena
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Chronik

Kinderwunsch merklich abgeflaut

Der Wunsch, Kinder zu haben, lässt hierzulande merklich nach. Pro befragter Frau liegt der Wert nun bei 1,68 Kindern, 2009 wünschten sich Frauen im Schnitt noch 2,1 Kinder. Die Gründe liegen unter anderem in der Teuerung und in vielen Krisen.

„Zwischen 2009 und 2023 ist der erhobene Kinderwunsch von 2,1 auf 1,7 Kinder pro Frau zurückgegangen“, sagte Norbert Neuwirth vom Österreichischen Institut für Familienforschung (ÖIF) an der Uni Wien am Dienstag. Fragten die Forschenden danach, ob man sich innerhalb der nächsten drei Jahre „definitiv“ oder „wahrscheinlich“ ein Kind wünscht, zeigte sich dieser Trend eindrücklich.

In der Gruppe der 18- bis 29-jährigen Frauen gaben das 2009 noch 36 Prozent der Befragten an – 2023 waren es zehn Prozentpunkte weniger. Bei den Männern dieser Alterskohorte sank die Zustimmung sogar von 30 (2009) auf 14 Prozent (2023). Weniger deutlich ging die Zustimmung in der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen zurück: Unter den Männern fiel sie von 2009 auf 2023 von 40 auf 32 Prozent, unter den Frauen von 32 auf 30.

Zahl kinderloser Frauen steigt

Die größte Gruppe unter den Frauen in Österreich ist mit rund 40 Prozent jene mit zwei Kindern, rund ein Viertel hat ein Kind. Beide Werte seien über die Zeit hinweg „recht konstant“, sagte Isabella Buber-Ennser vom Vienna Institute of Demography (VID). „Der Anteil der kinderlosen Frauen nimmt aber konstant zu.“ Aufgrund der Vielzahl an Daten, die die Befragungen erbrachten, schätzten Forschende ab, wie hoch der Anteil der Kinderlosen in den Alterskohorten mit Geburtsjahr ab 1990 sein könnte. Die Analyse lasse auf einen Wert von 23 bis 24 Prozent schließen.

Grafik zum Kinderwunsch
Grafik: APA/ORF; Quelle: GGP/ÖAW/Uni Wien

Vergleicht man das mit früheren Jahrzehnten, in denen der Kinderlosenanteil teilweise zwar groß war, aber relativ viele Frauen in Österreich auch drei oder mehr Kinder hatten, schlage das heutzutage stärker durch. Letztlich kommen bei so einem Trend „auch weniger potenzielle Mütter in Zukunft nach“, so die Demografin.

In Frankreich werde der „Abwärtstrend“ noch von zahlreichen vielköpfigen Familien gebremst. Das war in Skandinavien ähnlich, wobei zuletzt auch hier die Geburtenraten im Sinken begriffen seien. Woran das liegt, sei noch nicht klar, so Buber-Ennser.

„Klassische“ und neue Faktoren wirksam

Auf der Suche nach möglichen Gründen hierzulande wurde man in der jüngsten Untersuchung auch neben den „klassischen“ Faktoren wie längere Ausbildungszeiten, Schwierigkeiten bei der Partnerfindung und beim Einstieg in das Erwerbsleben und mangelnder Vereinbarkeit von Familie und Beruf fündig: Gefragt nach den aktuellen Krisen – der Teuerung, dem Ukraine-Krieg und der Covid-19-Pandemie – zeigte sich laut Buber-Ennser „ganz klar“, dass viele Menschen ihren Kinderwunsch angesichts dessen verändert haben. Knapp ein Drittel der Befragten bezeichnete sich als davon negativ beeinflusst. Am stärksten belastet die Preisentwicklung die Menschen.

In solchen krisenhaften Zeiten wird das Vorhaben, Kinder zu bekommen, oft aufgeschoben. „Freilich gibt es dann einen Teil derer, die das dann später nicht verwirklichen“, sagte Buber-Ennser. Das gelte in Österreich erstaunlicherweise sehr stark für Frauen mit höheren Bildungsabschlüssen. Wie sich u. a. das entwickelt, wollen die Forscher mit einer Folgeerhebung in vier Jahren herausarbeiten.

„Wenn man die Herausforderungen der Eltern bedenkt, versteht man, warum sie offenbar dreimal überlegen, Kinder in die Welt zu setzen“, so Wolfgang Mazal vom ÖIF zu den neuen Ergebnissen, die der Forschungsverbund „Generations and Gender Programme“ (GGP) in der Broschüre „Familien in Österreich. Partnerschaft, Kinderwunsch und ökonomische Situation in herausfordernden Zeiten“ zusammenfasst.

Studie mit 8.000 Teilnehmern

Darin finden sich Beiträge von insgesamt 27 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Diese sollten laut dem ÖIF-Leiter als „Anstoß zur Reflexion über gesellschaftliche Verhältnisse genutzt werden“. Das GGP wird vom Bundeskanzleramt und dem Bildungsministerium gefördert.

Die aktuelle Studie wurde im Rahmen des GGP von einem Team um Isabella Buber-Ennser, der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem ÖIF an der Uni Wien durchgeführt. Nach der Befragung 2008/2009 mit 5.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gab es eine Folgeerhebung 2012/2013 und die nunmehrige Auflage mit mehr als 8.000 Befragten zwischen Oktober 2022 und März 2023. Der Fokus beim Thema Kinderwunsch lag auf Personen zwischen 18 und 45 Jahren.