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Wirtschaft

Viele Firmen stehen vor Insolvenz

Viele Unternehmen stehen in Österreich nach Hochrechnung des Kreditschutzverbands von 1870 (KSV1870) vor einer Insolvenz. Die Zahl der Anträge stieg 2023 im Vergleich mit dem Vorjahr um 13 Prozent, wie die Gläubigerschützer am Mittwoch mitteilten.

Betroffen sind 5.401 Unternehmen, das entspricht 15 Firmenpleiten pro Tag und so vielen Fällen wie zuletzt vor zehn Jahren. Auch die vorläufigen Passiva seien nicht zuletzt wegen der Pleite der Signa Holding GmbH stark gestiegen, hieß es.

Konkret erhöhten sich laut Schätzungen des KSV1870 die vorläufigen Passiva um 286 Prozent auf rund 8,53 Milliarden Euro. Diese Entwicklung ist auf die bisher größte Firmenpleite der österreichischen Wirtschaftsgeschichte zurückzuführen, die Insolvenz der Signa Holding. Hier stehen rund fünf Milliarden Euro an Verbindlichkeiten zu Buche. Aber auch ohne Signa Holding würden die geschätzten Passiva mit 3,26 Milliarden Euro um rund die Hälfte über dem Vorjahresniveau liegen, so der Kreditschutzverband.

„Insolvenzen nicht mehr so kleinteilig“

„Das zeigt, dass die Insolvenzen in Österreich nicht mehr so kleinteilig sind, sondern schon an Masse dazugewinnen“, sagte Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz beim KSV1870, bei der Präsentation der Zahlen in Wien. Ein Plus von 45 Prozent auf 22.500 verzeichnete auch die Anzahl der betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – hier spiele die kika/Leiner-Pleite hinein, so Götze. Ebenfalls einen Anstieg habe es bei den Gläubigern um 41 Prozent auf rund 45.000 gegeben.

13 Prozent mehr Pleiten

2022 hat es laut Kreditschutzverband 4.775 Unternehmenspleiten gegeben. Heuer sind es laut Hochrechnung etwa 5.400 und somit 13 Prozent mehr als im Vorjahr.

„Die aktuelle Situation ist, dass wir hohe Insolvenzzahlen haben, aber es ist nicht alarmierend“, sagte Götze weiter. So betrug die Insolvenzquote vor zwanzig Jahren rund zwei Prozent, heute liege sie bei 1,2 Prozent. „Das Negative ist, wir haben noch viel zu viele nicht eröffnete Insolvenzen“: Er zeigte sich über ein Plus gegenüber dem Vorjahr von acht Prozent auf rund 2.000 nicht eröffnete Verfahren besorgt. Ein Anstieg von 16 Prozent bei den eröffneten Insolvenzen auf 3.378 Verfahren wertete Götze allerdings als „gute Nachricht“.

Handel und Bau besonders betroffen

Besonders betroffen von den Insolvenzen sind laut KSV1870 der Handel, die Bauwirtschaft und der Bereich Beherbergung und Gastronomie. Der Handel inklusive Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen überschritt nach Berechnungen des KSV1870 mit 1.003 Pleiten (plus 17 Prozent) erstmals seit Jahren die Tausendergrenze. Besonderes Sorgenkind hier ist der Einzelhandel. Die Hauptgründe sehen die Kreditschützer in den hohen Energiekosten, den häufig nicht eingetretenen Nachholeffekten aus Pandemiezeiten sowie der aktuell sinkenden Kaufkraft von Privatpersonen.

Der Anstieg der Insolvenzen in der Bauwirtschaft um 21 Prozent auf 936 Fälle sei nicht zuletzt auf die hohen Baukosten und stark gestiegenen Zinsen zurückzuführen, hieß es. Vor allem akuter Personalmangel und geändertes Konsumverhalten hätten im Bereich Beherbergung und Gastronomie für einen Anstieg der Anzahl der Insolvenzen um 19 Prozent auf 709 Fälle gesorgt.

„Kostendilemma“ als Thema Nummer eins

Für den CEO der KSV1870 Holding AG, Ricardo-Jose Vybiral, steht die österreichische Wirtschaft an einem „Scheideweg“. Nur noch 49 Prozent der befragten Unternehmen hätten gegenüber den Kreditschützern angegeben, sich in einer sehr guten oder guten Geschäftslage zu befinden. Das Thema Nummer eins sei das „Kostendilemma“, so Vybiral mit Blick auf die hohen Lohn- und Energiekosten. Hinzu kämen Personalmangel und politische Instabilität. Die heimische Wirtschaft müsse aus dem „Stottermodus“ wieder herauskommen, der CEO sieht auch die Politik gefordert.

Den stärksten Zuwachs bei der Zahl der Pleiten verzeichneten das Burgenland (plus 26 Prozent), Kärnten (plus 23 Prozent) – mehr dazu in kaernten.ORF.at – und Vorarlberg (plus 21 Prozent). Es folgten die Steiermark (plus 17 Prozent), Wien (plus 13 Prozent), Oberösterreich (plus zwölf Prozent), Niederösterreich (plus zehn Prozent) – mehr dazu in noe.ORF.at, Salzburg (plus sieben Prozent) – mehr dazu in salzburg.ORF.at – und Tirol (plus fünf Prozent).

Nächstes Jahr noch mehr Pleiten erwartet

Der Blick in die Zukunft stimmt die Kreditschützer nicht positiver. Sie erwarten im kommenden Jahr zwischen 5.800 und 6.000 Firmenpleiten.

Die Privatkonkurse nahmen laut den Schätzungen heuer gegenüber dem Vorjahr um 9,5 Prozent zu, es wurden 8.956 Regulierungsverfahren eröffnet. Das vorläufige Schuldenausmaß fiel jedoch mit vorläufigen Passiva in Höhe von 895 Millionen Euro um ein Prozent niedriger aus. Damit sank die durchschnittliche Schuldenhöhe um 11.000 Euro auf 100.000 Euro pro Schuldner.

Besonders hoch war der Anstieg den Berechnungen zufolge in Vorarlberg (plus 36,2 Prozent). Mit Abstand folgten Kärnten (plus 17,9 Prozent), das Burgenland (plus 14,5 Prozent), Salzburg (plus 12,4 Prozent), Oberösterreich (plus 11,9 Prozent), Wien (plus 10,6 Prozent), Tirol (plus 5,6 Prozent) und Niederösterreich (plus 2,6 Prozent). Einzig in der Steiermark wurde ein leichtes Minus von 0,1 Prozent verbucht.